Verlieb dich - Roman
musste ständig an jene Nacht denken. Saß er in seiner Wohnung herum, drehte er beinahe durch. Ging er vor die Tür, machte ihn die Aufmerksamkeit, die ihm plötzlich zuteilwurde, wahnsinnig. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten sehnte er sich nach seiner Heimatstadt am Ufer des Ontariosees. Er vermisste die Ruhe, die Einsamkeit, den Geruch des Sees, an dem er aufgewachsen war und unzählige Stunden mit seinem Vater, seinen Geschwistern, Cousins und Cousinen verbracht hatte. Er hatte dort schwimmen gelernt, sie hatten Ball gespielt und die meiste Zeit damit verbracht, herumzualbern und einander zu hänseln und zu necken. Damals war er weggezogen, weil er von alldem genug gehabt hatte. Jetzt brauchte er genau das.
Vielleicht, weil er dem Tod nur knapp entronnen war. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er sich wegen des Bachelor Blogs in letzter Zeit so eingeengt, ja bedrängt fühlte. Auf jeden Fall musste Rafe fort. Es war Sommer, und er sehnte sich nach frischer Luft und Sonne. Er besaß sogar ein Haus am Ontariosee, und die Vorstellung, dort ein paar Tage zu verbringen, erschien ihm sehr verlockend.
Seine Eltern würden begeistert sein, wenn er eine
Weile auf Heimaturlaub kam. Sie waren nach Hause zurückgekehrt, nachdem er aus dem Spital entlassen worden war, aber seine Mutter rief ihn mehrmals täglich an, um sich davon zu überzeugen, dass er genügend aß, schlief und sich schonte. Es wäre ihr sicher viel lieber, wenn er sich in ihrer Nähe aufhielt, bis er wieder vollkommen gesund war. Aber im Grunde ging es hier in erster Linie um seine eigenen Wünsche.
Die Entscheidung ist gefallen , dachte Rafe. Sollte der Autor des Bachelor Blogs doch zusehen, wie er ohne ihn auskam!
Kapitel 3
Sara verlagerte probehalber das Gewicht auf das verletzte Bein, wie sie es die vergangenen beiden Wochen jeden Morgen getan hatte. Wieder spürte sie einen stechenden Schmerz im Knie. Sie stöhnte auf und wartete darauf, dass der Schmerz nachließ. Die Neoprenschiene, die man ihr in der Notaufnahme gegeben hatte, half zwar, das Knie zu stützen, gegen den pochenden Schmerz, den sie ständig verspürte, konnte die Schiene allerdings nichts ausrichten. Sara musste nach wie vor Eis auf die Schwellung legen und entzündungshemmende Medikamente einnehmen. Außerdem hoffte sie noch immer, dass ihr Krankenstand nur vorübergehend und ihre Karriere noch nicht beendet sein würde.
Sie warf einen Blick auf die Schmerztabletten auf der Küchenanrichte und schüttelte den Kopf. Sie hasste es, sich benebelt zu fühlen. Sie würde das auch so durchstehen.
Es war erst halb zehn Uhr vormittags, und sie war bereits seit Stunden wach. Der Tag würde noch lang werden. Deshalb erschien ihr das Klopfen an der Tür als willkommene Ablenkung.
Sara humpelte ohne Krücken zur Tür. Der Arzt hatte ihr versichert, dass eine leichte Belastung des Beins dem Heilungsprozess nicht schaden, sondern ihn eher fördern würde.
Sara blickte durch den Türspion. »Coop!« Sie öffnete ihrem Freund die Tür.
»Komme ich ungelegen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, perfektes Timing. Ich habe die Nase voll davon, hier herumzusitzen und mich im Selbstmitleid zu suhlen. Komm doch rein; ich kann ein wenig Ablenkung von meinen Problemen gebrauchen.«
Coop schloss die Tür hinter sich und folgte ihr in die Wohnung.
»Warum bist du nicht bei der Arbeit?«, fragte sie, weil Coop normalerweise in aller Herrgottsfrühe das Haus verließ und meist erst spätnachts zurückkehrte.
»Ich habe mir einen Tag freigenommen. Also, wie geht es dir?«, fragte er und warf einen Blick auf ihr Knie. »Und diesmal hätte ich gern eine ehrliche Antwort. «
Sara runzelte die Stirn. Bisher war sie allen Fragen nach ihrer Verletzung ausgewichen und hatte so getan, als ginge es ihr gut, doch Coop ließ sich nichts vormachen.
Es ging ihr gar nicht gut – und zwar nicht nur wegen der Schmerzen in ihrem Bein. Wenn ihr Knie nicht wieder in Ordnung kam, waren ihre Tage bei der New Yorker Polizei gezählt.
»Ich mache mir Sorgen, dass es nicht ordentlich heilen
wird und ich den Dienst ein für alle Mal quittieren muss. Ich kann an nichts anderes mehr denken und mich auf nichts anderes mehr konzentrieren.«
Er legte ihr einen Arm um die Schultern.
Sara war ein Einzelkind, und Coop war für sie der Bruder, den sie sich immer gewünscht hatte. Er hatte dunkle Haare, sah gut aus, war charmant und klug. Trotzdem hatten sie nie miteinander geschlafen. Sara hatte auch nie den Wunsch
Weitere Kostenlose Bücher