Verlieben war nicht abgemacht - Asher, B: Verlieben war nicht abgemacht - The Pretend Wife
war es, als wäre ich der seltene Vogel. Ich wurde verlegen, spürte sogar, wie ich errötete. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mir das zum letzten Mal passiert war. »Bis heute Abend«, verabschiedete er sich, nahm einen Mundvoll von seinem Rieseneis und verließ, eine Hand in der Tasche seiner unförmigen Shorts, die Eisdiele.
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E s gibt eine Theorie darüber, warum Menschen sich nicht an ihre Säuglingszeit und frühe Kindheit erinnern: Erinnerung benötigt einen Bezugspunkt. Man erinnert sich an etwas, weil es mit einem früheren Erlebnis zusammenhängt. Erinnerungen erwachen nicht, weil sich dieser Teil des Gehirns schließlich entwickelt hat, sondern weil unser Leben aus Schichten besteht, wobei die Erinnerungen nicht so sehr gleich einer Eisschicht auf unseren Erlebnissen liegen, sondern vielmehr darunter wie unterirdische Flüsse.
Genauso ist es bei meiner Beziehung mit Elliot Hull. Um die überschwängliche Freude bei unserem Wiedersehen in der Eisdiele und alles, was sich daraus ergab, wahrhaft zu begreifen, brauche ich Peter. Elliot existiert nicht ohne Peter – nicht wirklich. Und Peter hätte in meinem Leben nicht wirklich existiert ohne meinen Vater, einen durch Verlust geprägten Mann. Und sein Verlust wiederum würde nicht existieren ohne den frühen Tod meiner Mutter.
Lassen Sie mich eine Schicht nach der anderen freilegen.
Ich lernte Peter in einer Tierarztpraxis kennen. Er war mit dem bejahrten, inkontinenten Cockapoo (eine Kreuzung zwischen Cockerspaniel und Pudel) seiner Mutter gekommen, und ich las blutbesudelt einen Artikel über das menschliche Gehirn. Ein Hütehund von einer Farm war mir am Morgen ins Auto gelaufen, als ich auf dem Weg zu einem Psychologiekurs gewesen war, in den ich mich allerdings nicht eingeschrieben hatte. Ich war fünfundzwanzig und hatte kürzlich einen Job im Marketing-Bereich hingeschmissen, der mich geschafft hatte. Jetzt arbeitete ich als Bedienung, was mir wirklich Spaß machte, und spielte mit dem Gedanken, Psychologie zu studieren.
Zu der Zeit hatte ich ein Faible für Gesprächstherapie, hauptsächlich, weil ich selbst gerade eine Therapie bei einer freundlichen älteren Dame begonnen hatte, die eine Brille trug, deren dicke Gläser ihre Augen derart vergrößerten, dass es schien, als schaue sie mich aufmerksam an. Ich war diese Art der Aufmerksamkeit nicht gewohnt, und obwohl sie mir Unbehagen bereitete, tat mir die Frau gut. Sie gab mir jede Woche eine Stunde lang Gelegenheit, über meine Kindheit zu reden, über meine Mutter zu phantasieren und darüber, wie meine Kindheit hätte sein können, wäre sie am Leben geblieben. Wir arbeiteten diese Phantasien in der Hoffnung durch, auf eine elementare Wahrheit zu stoßen. Und was war diese Wahrheit? Es war Herbst, und ich war fünf Jahre alt, als meine Mutter starb – bei einem Unfall, der mit einer Brücke und Wasser zu tun hatte, bei einem einfachen Unfall, der mein Leben aufs Komplizierteste beeinflusste. Er machte einen anderen Menschen aus meinem Vater – einen in sich gekehrten Witwer, der Segelschuhe und Pullover mit Zopfmuster trug und sein Leben den Lauten spezieller Fischarten widmete, einen Mann, der den größten Teil seiner Zeit unter Wasser verbrachte. Es war, als seien meine Eltern beide ertrunken – meine Mutter tatsächlich und mein Vater im übertragenen Sinn.
Was ich der Therapeutin nicht erzählte, war, dass ich auf der fraglichen Fahrt mit im Auto gesessen hatte – ein wohl gehütetes Familiengeheimnis, von dem ich zufällig erfahren hatte. Es war einer meiner Tanten herausgerutscht, während sie mir die Haare bürstete. Wir hatten sie auf dem Weg nach Cape Cod im Pflegeheim besucht. Als wir weiterfuhren, erklärte mir mein Vater, dass Tante Irene nicht mehr ganz richtig im Kopf sei. »Sie bringt alles durcheinander.« Wenn die Therapeutin mir aufmerksam zugehört hatte, musste ihr klar geworden sein, dass ich mit im Auto gesessen hatte, aber ich hätte noch Jahre zu ihr gehen können, ohne es ihr zu erzählen. Sie ließ mich über die Dinge sprechen, über die ich sprechen wollte. Sie hörte zu. War das nicht alles, was man brauchte? Könnte nicht auch ich Menschen auf diese Weise helfen?
An dem besagten Morgen fuhr ich immer wieder durch dichten Nebel. Ich hatte gerade den alten Volvo meines Vaters »geerbt« und hörte Musik, die ich seit meiner Highschool-Zeit kaum gespielt hatte – in diesem Fall die Smiths. Der Volvo hatte ein Problem mit dem Auspuff, weshalb es im
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