Verliebt bis in die Haarspitzen (German Edition)
Demonstration.
„Das überlebe ich nicht!“, jammerte Helen. Und spitz fügte sie hinzu: „Außerdem geht das nicht. Wir haben uns bereits für heute Nachmittag zum Joggen verabredet. Und er will mir diese Super-Pflegespülung mitbringen, damit ich mit meinen Locken klarkomme.“
„Tja, so etwas habe ich mir schon fast gedacht. Bleibt nur die letzte Möglichkeit: Du musst extrem viel Schokolade futtern.“
„Wie meinst du das?“ Sie starrte Yvonne verwirrt an.
„Na, Schokolade macht glücklich“, erklärte diese. „Ganz nebenbei wirst du auch noch fett, und wenn du deine Haare weiterhin nicht wäschst, auch unansehnlich. Dann interessiert sich kein Mann mehr für dich, auch kein schwuler, und alle deine Probleme sind gelöst!“ Yvonne grinste Helen an, putzte die Krümel von ihrem Teller und stand auf.
Nachdem Helen ihren Mund wieder zugeklappt hatte, griff sie nach einem Stuhlkissen. „Du treulose Tomate! Das nennst du Hilfe?“ Mit Schwung haute sie das Ding Yvonne um die Ohren. Die duckte sich instinktiv.
„Halt, Stopp!“, flehte sie unter Lachen. „Ich habe dir alles gesagt, was mir einfiel. Ehrlich!“
„Warum frage ich dich bloß nur immer?“, schimpfte Helen weiter und wirbelte das Kissen nochmals durch die Luft, bevor sie es zurück auf den Stuhl fallen ließ.
„Glaub mir, wenn ich eine gute Fee wäre, würde ich dir sofort einen Hetero-Fabian herbeizaubern“, versicherte Yvonne.
„Ich weiß.“ Helen ließ ihre Schulter hängen, straffte sich aber gleich darauf wieder. „Jedenfalls kann ich ihn nicht einfach abschreiben. In seiner Nähe bin ich so glücklich.“ Nachdenklich schaute sie Yvonne an. „Meinst du, ich sollte wirklich versuchen, ihm nicht in die Augen zu schauen? Ist das nicht komisch?“
„Keine Ahnung. Probier es aus. Im Moment fällt mir wenigstens nichts Besseres ein.“ Yvonne gähnte herzhaft. „Ich gehe jetzt eben unter die Dusche und dann lege ich mich hin.“
Helen nickte gedankenverloren und drehte ihren Becher Milchkaffee in den Händen. Schließlich ging sie aus der Küche in den sonnendurchfluteten Wohnraum und setzte sich in ihren Hängesessel. Noch gut vier Stunden hatte sie Zeit, um sich zu überlegen, welchen von Yvonnes Vorschlägen sie beherzigen sollte. Ein bittersüßer Schmerz überkam sie. Zum ersten Mal seit Langem war sie total verliebt und ausgerechnet in einen schwulen Mann. Das war mit Abstand die bisher schlimmste Katastrophe.
Fabian betrat einen kleinen Vorgarten außerhalb von Zürich und kramte in seiner Tasche nach einem Schlüssel. Noch bevor er ihn gefunden hatte, wurde die Tür des Häuschens, das über und über mit kleinen, roten Schindeln bedeckt war, aufgerissen.
„Du bist spät dran. Ist etwas passiert?“ Eine kleine Frau mit kinnlangen, grauen Haaren und einer knallroten Strähne als Pony stand in der Tür und musterte Fabian. Sie hatte die gleichen freundlichen, braunen Augen wie er.
„Grüezi Grosi Vreni.“ begrüßte Fabian seine Großmutter und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. „Alles in Ordnung. Ich habe nur verschlafen.“
„Nanu? Das passiert dir doch sonst nie!“
Fabian wich Vrenis Blick aus und drängelte sich an ihr vorbei durch die Tür. „Irgendwann ist eben immer das erste Mal.“
„Bist du krank? Lass dich mal anschauen.“ Mit überraschender Kraft packte sie Fabian am Kinn und drehte sein Gesicht zu ihr herum.
„Mir geht es gut!“, protestierte Fabian, konnte sich aber kaum aus Vrenis Griff befreien. „Es sei denn, du brichst mir gleich den Kiefer!“
„Sei nicht so ein Weichei!“, forderte Vreni und ließ Fabian los. „Nein, krank siehst du nicht aus. Was ist dann geschehen? Ich sehe dir doch an, dass mehr dahintersteckt! Also, wer oder was ist der Grund für dein Zuspätkommen?“
„Ach Grosi, sei nicht immer so wunderfitzig“, beschwerte sich Fabian und rieb sich sein Kinn.
Vreni schwieg einige Sekunden erwartungsvoll, dann gab sie nach. „Na gut. Hilfst du mir, die Kartoffeln zu schälen? Ich werde dich Schlawiner eben später weich kochen. Ist schließlich lange genug her, dass du mir was erzählen kannst, das nichts mit Haaren zu tun hat.“
Sie wartete neben Fabian, der Jacke und Schuhe auszog und in seine uralten Hausschuhe schlüpfte. Seine Mutter war noch sehr jung gewesen, als er geboren wurde. Deshalb war Fabian bei seinen Großeltern in diesem Haus aufgewachsen. Sonntags versuchte er, so oft es ging, seine Großmutter, meist Grosi genannt, zu
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