Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe
sei! Sie ist es. Aber sie läßt uns, die Verächter der Macht, doch für Augenblicke nach der Macht begehren, um ein Ende mit dem Unfug zu machen, um aufzuräumen. Wir schämen uns dieser Regungen und können doch ihre Wiederkehr nicht für immer verhindern. Wir haben teil am Bösen und am Krieg in der Welt. Und so oft wir diese unsre Zugehörigkeit erlebend erkennen, so oft wir uns ihrer schämen müssen, so oft wird uns auch deutlich, daß die Regenten der Welt keine Teufel, sondern Menschen sind, daß sie das Böse nicht aus Bosheit tun oder zulassen; daß sie in einer Art von Blindheit und Unschuld handeln.
Denkerisch sind diese Widersprüche nicht zu lösen. Das Böse ist in der Welt; es ist in uns, es scheint mit dem Leben untrennbar verbunden. Dennoch spricht die heitere und schöne Seite der Natur, spricht die heitere und schöne Seite der Menschheitsgeschichte unübertönbar zu uns, beglückt und tröstet uns, mahnt uns und rührt uns, und weht Hoffnung in unser Dasein, das oft so hoffnungslos scheint. Und wie wir uns Friedliebende nicht vom Bösen frei wissen, so hoffen wir, daß auch in den andern die Möglichkeit bestehe, zur Einsicht und zur Liebe zu erwachen.
Aus einem Brief vom Februar 1955
E s ist nicht nur der Völkerkrieg mit den Waffen, dessen Grauen und dessen Unsinn mir klargeworden waren. Es ist jeglicher Krieg, es ist jegliche Art von Gewalt und streitbarem Eigennutz, es ist jede Art von Geringschätzung des Lebens und von Mißbrauch des Mitmenschen, was mir Sorge macht. Ich verstehe unter Friede nicht nur das Militärische und Politische, sondern ich meine den Frieden jedes Menschen mit sich selbst und mit dem Nachbarn, die Harmonie eines sinnvollen und liebevollen Lebens. Es bleibt mir zwar nicht verborgen, daß im rücksichtslos harten Arbeits- und Erwerbsleben des heutigen Alltags dies Ideal eines edleren und würdigeren Lebens den meisten verstiegen und wirklichkeitsfern erscheinen muß. Aber Sache des Dichters ist es ja nicht, sich irgendeiner aktuellen Wirklichkeit anzupassen und sie zu verherrlichen, sondern über sie hinweg die Möglichkeit des Schönen, der Liebe und des Friedens zu zeigen. Sie können niemals voll verwirklicht werden, diese Ideale, so wie ein Schiff auf stürmischer See nie den idealen Kurs einhalten kann. Es muß aber dennoch seinen Kurs nach den Sternen richten. Und wir müssen dennoch und trotz allem den Frieden wünschen und dem Frieden dienen, jeder auf seinem Wege und in seiner Umwelt. Ich darf mich nicht fromm nennen im Sinne meiner Vorfahren, aber unter den Bibelworten, die ich gläubig verehre, steht obenan jenes Wort vom Frieden Gottes, der höher ist denn alle Vernunft.
Aus der »Dankadresse« anläßlich der Verleihung
des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, 1955
E s gibt wahrscheinlich in jedem Leben solche Zeiten: weit vor sich sieht man glatte Bahn, kein Hindernis, keine Wolke am Himmel, keine Pfütze im Weg. Da wiegt man sich gar stattlich im Wipfel und glaubt mehr und mehr zu erkennen, daß es eben doch kein Glück und keinen Zufall gibt, sondern daß man das alles und noch eine halbe Zukunft ehrlich verdient und erworben habe, einfach weil man der Kerl dazu war. Und man tut wohl daran, sich dieser Erkenntnis zu freuen, denn auf ihr beruht das Glück der Märchenprinzen ebenso wie das Glück der Spatzen auf dem Mist, und es dauert ja nie zu lange.
Aus »Die Marmorsäge«, 1903
D as liebste und schönste Haus der Welt mit den schönsten Sachen und Erinnerungen drin kann ja auch zum Kerker werden, und es mit einem Dampfer zu vertauschen, der zu neuen Ufern und Aspekten trägt, kann auch Erlösung sein, so wie eine chirurgische Operation es sein kann.
Aus einem Brief vom 20. März 1945
Welkes Blatt
J ede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden,
Ewiges ist nicht auf Erden
Als der Wandel, als die Flucht.
Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte, Blatt, geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.
Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Laß es still geschehen.
Laß vom Winde, der dich bricht,
Dich nach Hause wehen.
24. August 1933
Auch die Blumen
A uch die Blumen leiden den Tod,
Die doch ohne Schuld sind.
So auch ist unser Wesen rein
Und leidet nur Schmerz,
Wo es sich selber nicht mag verstehn.
Was wir Schuld genannt,
Ist von der Sonne aufgesogen,
Kommt längst aus reinen Kelchen der Blumen
Uns entgegen als Duft und rührender Kinderblick.
Und wie die Blumen sterben,
So
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