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Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Titel: Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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gehört der Welt, der Menschheit, und wird aus Qual zu Freude werden, wenn Sie es fruchtbar werden lassen. Trennen Sie sich von dieser Liebe, andres kann ich Ihnen nicht raten.
    Aus einem Brief vom Juli 1947
Es gibt so Schönes
    E s gibt so Schönes in der Welt,
    Daran du nie dich satt erquickst
    Und das dir immer Treue hält
    Und das du immer neu erblickst:
    Der Blick von einer Alpe Grat,
    Am grünen Meer ein stiller Pfad,
    Ein Bach, der über Felsen springt,
    Ein Vogel, der im Dunkel singt,
    Ein Kind, das noch im Traume lacht,
    Ein Sterneglanz der Winternacht,
    Ein Abendrot im klaren See
    Bekränzt von Alm und Firneschnee,
    Ein Lied am Straßenzaun erlauscht,
    Ein Gruß mit Wanderern getauscht,
    Ein Denken an die Kinderzeit,
    Ein immer waches, zartes Leid,
    Das nächtelang mit feinem Schmerz
    Dir weitet das verengte Herz
    Und über Sternen schön und bleich
    Dir baut ein fernes Heimwehreich.
    um 1901
    Z eigt mir in der weiten Welt den Mann, der die Wolken besser kennt und mehr lieb hat als ich! Oder zeigt mir das Ding in der Welt, das schöner ist als Wolken sind! Sie sind Spiel und Augentrost, sie sind Segen und Gottesgabe, sie sind Zorn und Todesmacht. Sie sind zart, weich und friedlich wie die Seelen von Neugeborenen, sie sind schön, reich und spendend wie gute Engel, sie sind dunkel, unentrinnbar und schonungslos wie die Sendboten des Todes. Sie schweben silbern in dünner Schicht, sie segeln lachend weiß mit goldenem Rand, sie stehen rastend in gelben, roten und bläulichen Farben. Sie schleichen finster und langsam wie Mörder, sie jagen sausend kopfüber wie rasende Reiter, sie hängen traurig und träumend in bleichen Höhen wie schwermütige Einsiedler. Sie haben die Formen von seligen Inseln und die Formen von segnenden Engeln, sie gleichen drohenden Händen, flatternden Segeln, wandernden Kranichen. Sie schweben zwischen Gottes Himmel und der armen Erde als schöne Gleichnisse aller Menschensehnsucht, beiden angehörig – Träume der Erde, in welchen sie ihre befleckte Seele an den reinen Himmel schmiegt. Sie sind das ewige Sinnbild alles Wanderns, alles Suchens, Verlangens und Heimbegehrens. Und so, wie sie zwischen Erde und Himmel zag und sehnend und trotzig hängen, so hängen zag und sehnend und trotzig die Seelen der Menschen zwischen Zeit und Ewigkeit.
    Oh, die Wolken, die schönen, schwebenden, rastlosen! Ich war ein unwissendes Kind und liebte sie, schaute sie an und wußte nicht, daß auch ich als eine
     Wolke durchs Leben gehen würde – wandernd, überall fremd, schwebend zwischen Zeit und Ewigkeit. Von Kinderzeiten her sind sie mir liebe Freundinnen
     und Schwestern gewesen. Ich kann nicht über die Gasse gehen, so nicken wir einander zu, grüßen uns und verweilen einen Augenblick Aug’ in Auge. Auch
     vergaß ich nicht, was ich damals von ihnen lernte: ihre Formen, ihre Farben, ihre Züge, ihre Spiele, Reigen, Tänze und Rasten, und ihre seltsam
     irdisch-himmlischen Geschichten.
    Aus »Peter Camenzind«, 1903
O Nacht, du silberbleiche
    O Nacht, du silberbleiche
    Verlorene Träumerin,
    In deine fremden Reiche
    Nimm meine Seele hin!
    Schiffbrüchig aus des Tages Not
    Leg ich vertraut mein scheues Boot,
    Ausruhend von erregter Flucht,
    An deiner Stille heimatliche Bucht.
    1901
    V on allen Vorstellungen reiner Seligkeit, die sich Völker und Dichter erträumt haben, schien mir immer
     die höchste und innigste jene vom Erlauschen der Sphärenharmonie. Daran haben meine tiefsten und goldensten Träume gestreift – einen Herzschlag
     lang den Bau des Weltalls und die Gesamtheit alles Lebens in ihrer geheimen, eingeborenen Harmonie tönen zu hören. Ach, und wie kann denn das Leben
     so wirr und verstimmt und verlogen sein, wie kann nur Lüge, Bosheit, Neid und Haß unter Menschen sein, da doch jedes kleinste Lied und jede
     bescheidenste Musik so deutlich predigt, daß Reinheit, Harmonie und brüderliches Spiel klargestimmter Töne den Himmel öffnet!
    Aus »Gertrud«, 1908/09
    S ie sind nicht so allein, wie es Ihnen scheint, und »die andern« sind keineswegs so glücklich oder so stumpf, wie es Ihnen scheint. Diese andern, und sei es auch nur Einer oder Eine von ihnen, müssen Sie zu erreichen suchen. Viele leiden das Selbe wie Sie, viele sind allein und finden sich von allen getrennt und verschieden, nur weil sie zu sehr in sich selbst verkapselt und verliebt sind und zu keinem andern hinfinden. Was ihr braucht, ist Liebe, ist Hingabe, ist Gespräch, Offenheit, Mitteilung, Vertrauen.

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