Verliebt in einen Gentleman
vornehmen Colleges passen würde.
Hat es auch, denke ich leicht rebellisch. Wenn ich so angekommen wäre, wie ich plane, heute auszusehen, dann wären die ehrwürdigen Lehrer vor Schock von ihrer Empore gepurzelt und der erlesene Wein hätte reihenweise zu Hustenanfällen geführt.
Und so wandere ich kurz darauf wieder zu Fuß in die Stadt, die Handtasche unter den Arm geklemmt. Das Wetter ist wieder wunderbar. Ein tiefblauer Himmel, wie es ihn in Nordeuropa nur im Frühjahr oder Herbst gibt, spannt sich über die fernen Zinnen und Türme der mittelalterlichen Stadt. Leuchtende Blätter fallen sanft drehend in der stillen Morgenluft von den Straßenbäumen. Unter meinen Füßen raschelt trockenes Laub.
Ich freue mich für Ethan. Mit Sicherheit ist das das perfekte Jagdwetter.
Wenn ich an ihn denke und an seine leidenschaftlichen Küsse von gestern Abend, schwebe ich fast über den Asphalt, obwohl mein Kopf immer noch schmerzt.
Als ich die Stadt erreiche, sehe ich mit so etwas wie Wehmut zu den schönen alten Gebäuden hin, die sich im River Cam spiegeln. Eigentlich hatte ich schon vorgehabt, mehr von ihnen und von der Altstadt zu sehen. In einem College soll es eine fantastische Sammlung von antiken römischen Skulpturen geben...
Nun ja, wenn mein Leben so weiter läuft, wie ich es mir erträume, wird es sicher nicht das letzte Mal sein, dass ich mich in Cambridge aufhalte. Dann kann ich alles nachholen.
Zielstrebig lenke ich meine Füße in den modernen Teil der Stadt, wo es die entsprechenden trendigen Kleiderläden gibt.
Nach drei Stunden schmerzt mir nicht nur der Kopf, sondern auch meine Füße. Es dauert lange, bis ich endlich meine Beute zusammen habe: ein super-schickes rotes Minikleid mit einem tiefen Ausschnitt, so tief, dass ich mir gleich noch einen neuen schwarzen BH mit Spitzenkante kaufen muss, und so kurz, dass ich ebenfalls das dazu passende Höschen erwerbe. Ich finde auch nach längerem Suchen ein Paar High Heels im gleichen Rot.
Dann gönne ich mir eine Auszeit bei einem Frisör. Zwar sind meine Haare noch perfekt geschnitten, aber ich lasse sie mit einer Pflegepackung verwöhnen, damit sie leuchten und glänzen.
Als endlich alles erledigt ist, suche ich nach einer Möglichkeit, etwas Fastfood herunter zu schlingen, da mein Magen gnadenlos knurrt.
Doch da fällt mir das nette Café ein, in dem ich mit Jens war. Das würde mir jetzt gut gefallen. So weit ich mich erinnern kann, liegen da auch ganz ansprechende Zeitschriften aus. Ich kann da meine müden Füße ausruhen – immerhin müssen die armen Dinger heute Abend wieder in ungemütlichen High Heels verbringen – etwas essen und lesen.
Als ich es wiederfinde, freue ich ich, dass genau der Tisch frei ist, an dem ich noch gestern Vormittag mit Jens gesessen habe. Ich lasse mich seufzend auf einem Stuhl nieder und strecke meine Beine aus. Himmlisch!
Die Kellnerin erkennt mich von gestern wieder und begrüßt mich freundlich, fast so, als wäre ich schon eine Stammkundin. Auf meine Bitte bringt sie mir flink einen Kaffee und ein großes Stück frischgebackene Quiche, der noch ofenwarm ist. Beim Essen vergnüge ich mich damit, den Passanten zuzusehen, genau wie gestern.
Jetzt fehlt nur noch ein Gesprächspartner, denke ich. Mit Jens war es schon sehr nett hier. Es war lustig, mit ihm hier zu sitzen und zu lästern. Ich mache mir eine mentale Notiz, dass ich hier unbedingt mal mit Ethan hingehen muss.
Ethan. Wie es ihm wohl geht? Ob er schon ein paar Tiere erlegt hat? Vielleicht ein paar Fasane oder Rebhühner? Was macht er damit? Muss ich sie ihm später einmal rupfen und braten, als gute Ehefrau?
Noch viel wichtiger: Denkt er im Laufe des Vormittags auch ab und zu an mich? Freut er sich schon auf heute Abend?
Ich freue mich jedenfalls riesig. Jetzt, da ich das tolle Outfit habe, kann ich es kaum abwarten, bis die Stunden vergangen sind, und er mich zur Party abholt.
Etwas später bestelle ich mir noch ein Stück Apple Pie und eine Kanne Tee. Irgendwann habe ich fast alle Zeitschriften durchgelesen. Als die Schatten allmählich länger werden, bezahle ich, raffe meine vielen Einkaufstüten zusammen und trete meinen langen Fußweg zurück in die Somerset Close an, um das Geld für die Buskarte zu sparen.
Dort mache ich
einen klitzekleinen Beautysleep auf dem schmalen Bett, dann schließe ich das Bad ab und dusche mich in der Hocke mit der Handbrause ab, wobei ich bewusst den grauen Ring ausblende, der sich in der Schwapphöhe von
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