Verliebt in einen Gentleman
unterwegs.“
Ich seufze. Natürlich. Ethan hat wieder mal etwas erkannt, dass ich noch an mir ändern muss. Ich liebe doch nur ihn. Selbstverständlich sende ich die falschen Signale aus, wenn ich mit einem anderen Mann herum spaße. Ich mache ein betroffenes Gesicht.
Das erweicht Ethan nun doch. „Lass aber deswegen nicht deine süßen Ohren hängen, kleine Lea. Wir arbeiten gemeinsam dran. Wir sind auf einem guten Weg. Du hast mir bereits in Cambridge gesagt, dass du es gut findest, wenn ich mit dir ehrlich bin. Ich denke, dass das auch eine gute Grundlage für eine Beziehung ist.“
Ich nicke heftig. „Ja wohl, genau das denke ich auch. Ich bin dir so dankbar dafür, dass du mir so viele Tipps gibst.“
„Du bist so ein liebes Ding“, sagt Ethan jetzt warm, „mir macht es viel Spaß, mit dir zusammen zu sein. Ich spüre, wie seine eine Hand unter der Tischdecke auf meinem Knie liegt. Ganz sanft massiert er meinen Oberschenkel.
„Wenn du das weiter machst, müssen wir das Essen stornieren und gleich wieder in unser Zimmer gehen“, murmele ich.
„Ja komm, lass uns“, sagt er mit funkelnden Augen.
Ich lache ziemlich laut, aber beherrsche mich, als ich merke, dass man sich zu uns umdreht. Ladylike bleiben, Lea, rufe ich mich zur Ordnung.
„Nein, das geht leider nicht“, sage ich, „denn ich habe einen Mordshunger.“
Das Essen wird gebracht und wir lassen es uns schmecken. Ethan ist wieder so wunderbar edel und schweigsam. Ich vertreibe mir die Zeit, indem ich mir die anderen Gäste ansehe, sowie den Gastraum. Passend zum ganzen Hotel, ist er im historischen Stil mit vielen Antiquitäten eingerichtet. Wir könnten genauso gut ein Paar sein, das sich im 19. Jahrhundert hier eingefunden hat, bis auf die Tatsache, dass wir beide Jeans tragen, statt vielleicht einen Gehrock und ein bodenlanges Kleid.
Ich sage zu Ethan: „Irgendwie ist es doch schön, dass wir in modernen Zeiten leben.“
Er sieht von seiner Suppe auf und sagt: „Wieso?“
„Na ja“, sage ich, „ich bin so gerne mit dir zusammen und du mit mir, wie du vorhin gesagt hast.“
„Und was hat das mit 'modernen Zeiten' zu tun?“ Er sieht mich so an, als würde er aus mir nicht klug.
„Denk doch mal nach – vor etwa hundert Jahren wäre unser Verhalten der Anlass für ein Riesenskandal. Wahrscheinlich würde mein Vater sich mit dir duellieren, oder wir hätten nach Gretna Green reisen müssen, damit du mich vorher zu einer ehrbaren Frau gemacht hättest.“
Er schmunzelt. „Wie kommst du nur auf solche krausen Gedanken.“
„Ich habe dauernd damit zu tun. Im Examen spezialisiere ich mich auf die englische Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Romane aus der Zeit kreisen oft um solche Skandale. In 'Stolz und Vorurteil' bricht für Elizabeth Bennet eine Welt zusammen, als ihre jüngere Schwester mit einem Mann abhaut. In George Eliots 'Mill on the Floss' gerät die Heldin in skandalösen Verruf lediglich dadurch, dass sie sich in Begleitung eines jungen Mannes in einem Ruderboot ins Meer treiben lässt, wo sie von einem Fischerboot aufgegriffen werden. Bei Thomas Hardy gerät Tess d'Urberville ebenfalls auf die schiefe Bahn durch eine außereheliche Liaison.“ Ich steigere mich richtig in das Thema herein. „Soll ich dir mal erzählen, was mit ihr im Endeffekt passiert? Hast du das Buch schon mal gelesen?“
Ethan schüttelt seinen Kopf. „Ehrlich gesagt finde ich das alles nicht so spannend. Ich weiß auch, warum. Wenn ich so höre, was du erzählst, kommt mir das alles wie der Stoff von Groschenromanen vor.“
Ich fühle mich so, als bekäme ich eine kalte Dusche ins Gesicht. Meine geliebten Romane! Die Creme de la Creme der englischen Literatur! Groschenromane?
Okay, sage ich mir, es ist Ethans gutes Recht, sich nicht für englische Literatur zu interessieren. Nicht jeder hat einen Faible dafür, und ich habe mich in diesen Bereich der Literatur sehr hinein gekniet. Eigentlich passt es auch zu einem richtigen Kerl, dass er so denkt, tröste ich mich.
Ich frage: „Was liest du denn so?“
Ethan sagt: „Och, mal eine Jagdzeitschrift oder ein Motorheft. Mehr brauche ich nicht für mich.“
Ich denke: Ist doch klar – das hätte ich mir doch gleich denken können. Richtige Männer lesen Jagdzeitschriften und Motorhefte. Das passt zu Ethan. Ich bin zufrieden. Obwohl...
„Ich wünschte, ich könnte dich für Literatur begeistern“, sage ich. „Man lernt so viel über die Menschen, wenn man gerne
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