Verliebt in einen Gentleman
liest.“
Ethan legt seinen Löffel auf den Tellerrand, tupft seinen Mund mit der Serviette und greift nach seinem Weinglas.
„Lea, bitte nimm es mir nicht übel, aber ich habe Literatur immer gehasst. Das ist doch alles nur Fantasie und alberne Schwärmerei.“ Er sieht den verletzten Ausdruck in meinem Gesicht und ergänzt: „Aber es ist doch nett, dass du Spaß daran hast. Selbst, wenn du deinen Beruf mal nicht ausübst, hast du ein nettes Hobby, mit dem du deine Zeit vertreiben kannst, ist doch schön.“
Klar, ich kann nicht erwarten, dass er meine Begeisterung teilt, sicher doch. Ich schweige und wende mich wieder meinem Essen zu. Manchmal habe ich auch selber Zweifel gehabt, ob meine Studienwahl so vernünftig war. Vielleicht hätte ich doch etwas Handfesteres studieren sollen, wie Architektur, oder so. Aber da hätte ich Mathematik können müssen und darin war ich immer eine ziemliche Niete in der Schule. Ein wenig geknickt bin ich schon, dass Ethan so ganz und gar nichts von meinem Studium hält. Vielleicht geht es anderen Leuten auch so. Vielleicht tun sie nur so beeindruckt, um mich nicht zu verletzen. Möglicherweise hat Jens bei dem Museumsbesuch in Cambridge nur so bewundernd getan, weil er mich gerne mag und er mich für sich einnehmen wollte.
Ich denke, dass es allmählich zu einem Muster wird; je mehr ich mit Ethan zusammen bin, desto mehr bewundere ich ihn. Mein Selbstbild, hingegen, war wohl ziemlich aufgebläht. Gut, dass Ethan mir den Kopf wieder zurecht rückt. Bestimmt war ich auf dem besten Weg, arrogant und eingebildet zu werden.
Später steigen wir die Treppe hinauf in unser Zimmer. Als wir dort angekommen sind, gehe ich zu Ethan und lege meine Arme um seinen Hals.
„Ethan“, sage ich.
„Ja?“
„Weißt du, dass ich dich liebe?“
Er lächelt mich auf seine seltene, aber entwaffnende Art von oben herab an, dass mir ganz warm ums Herz wird.
„Davon gehe ich aus, sonst wärst du ja nicht mit nach Thorpness gekommen.“
„Ich hatte gar keine Wahl. Du bist einfach bei Alice in das Haus marschiert und hast gesagt: (ich senke meine Stimme zu einem tiefen Brummen) 'Ich komme, um Lea zu entführen'.“
Ethan lacht. „Klar. Ich wusste ja, was ich wollte.“
Ich sage: „Genau das liebe ich an dir. Du bist so stark und selbstsicher. Neben dir fühle ich mich ganz klein und unscheinbar, wie eine winzige Mücke.“
Ethan nestelt an meinen Blusenknöpfen. „Komm, kleine Mücke, ab ins Bett“, murmelt er mir ins Ohr.
Und genau dort landen wir in wenigen Minuten.
Am nächsten Morgen geht es weiter. Wir können nicht von einander lassen.
Nach dem Frühstück gehen wir an den Strand und wandern am Meer entlang. Wir unterhalten uns nicht viel, sondern schweigen die meiste Zeit. Wofür auch? Es ist schön, zu zweit zu schweigen. Man hört das Rauschen der Wellen, das Piepen der Strandläufer und sogar das Rascheln des Strandgrases, wenn der Wind darin spielt, ist doch schön.
Obwohl...
Ich muss mich schon erst an dieses Schweigen gewöhnen. Eigentlich plaudere ich ganz gerne, nur meistens, wenn ich ein Thema anschneide, dann brummt nur Ethan irgendetwas, oder er reagiert gar nicht darauf. Auch gut. Ich schnattere normalerweise ständig. Bestimmt ist es ganz gut, wenn ich lerne, etwas nachdenklicher und ruhiger zu werden. Nachdenkliche und ruhige Menschen wirken so tiefgründig.
Wie Ethan.
Gegen Abend müssen wir die Heimfahrt antreten. Als ich meine Tasche packe, seufze ich laut.
„Was ist?“, fragt Ethan, „Tut dir etwas weh?“
„Ja“, sage ich, „das Herz. Ich fand unser Wochenende so schön. Ich bin traurig, dass es zu Ende geht.“
Ethan erwidert darauf gar nichts. Bestimmt geht es ihm genauso, wie mir.
Auf der Heimfahrt wird meine Herz immer schwerer. Ethan wird mich bei Alice absetzen. Und dann? Wie geht es weiter?
Als wir am Ortsschild von Gatingstone vorbeifahren, sagt Ethan: „Gut, dass du nicht mehr bei den kontrollsüchtigen Alten wohnst. Ich denke, dass Alice nicht so altmodisch ist. Sie freut sich sicher mit dir, dass du mit mir zusammen bist.“
„Absolut“, sage ich.
„Sicher hat sie nichts dagegen, wenn ich dich bei ihr besuchen komme.“
„Bestimmt nicht“, sage ich glücklich.
Doch da fällt mir etwas ein. Verlegen sage ich: „Das gilt natürlich nur tagsüber. Sie hat da eine ziemlich strenge Hausordnung.“
Ethan lässt sich zwar nichts anmerken, aber ich sehe, wie seine Wangenmuskeln sich anspannen, so als wäre er darüber
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