Verliebt in einen Unbekannten
selbst dann nicht, wenn er auf der Spitze eines Telegraphenmasts hockte. Es ergab einfach keinen Sinn. »Warum tust du das?« , hatte ich sein Foto zornig angeknurrt.
»Ich habe ihm noch keine E-Mail geschickt«, teilte ich Margot mit. »Du hast doch gemeint, dass er verheiratet ist. Ich ⦠ich war mir nicht sicher, ob du dich wirklich darauf einlassen willst.«
Margot gab ihr abstoÃendes Lachen von sich. »Du bist nicht nur verklemmt«, sagte sie, »sondern auch noch spieÃig . Schick ihm einfach eine Anfrage â und zwar jetzt . Alles andere braucht dich nicht zu scheren â was interessiert dich, ob er verheiratet ist?«
Es interessierte mich sehr wohl. Kaum etwas interessierte mich mehr. Margot zog die Augenbrauen hoch. »Ein Anruf bei Chambers!«, flüsterte sie drohend. »Tuâs einfach!«
Also tat ich es.
Der Nachmittag verstrich auf eher unerfreuliche Weise. Ich übertrug Margot die weniger wichtigen Projekte, was ich damit vor mir selbst rechtfertigte, dass ich schlieÃlich kein Kontrollfreak wäre und sie ihr ohnehin irgendwann übertragen hätte. Die groÃen Projekte dagegen behielt ich mir vor, weswegen ich schon wieder in Panik geriet.
Der Höhepunkt des Nachmittags war ein begeisterter (ohrenbetäubend lauter) Anruf von Shelley, die mir mitteilte, dass William ihr Blumen geschickt habe. » EIN BOUQUET MIT ABSOLUT FANTASTISCHEN PFINGSTROSEN !«, brüllte sie.
Doch dann sagte sie etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Während der qualvollen Stunden, in denen sie auf ein Lebenszeichen von William gewartet hatte, hatte sie unsere First-Date-Aid-Website aufgerufen, als würde ihr dies das Objekt ihrer Begierde näherbringen.
»Ich würde mich gern nach deinem Partner erkundigen«, bellte Shelley. »Nach dem, der die Firma von dir übernommen hat. Ich nehme mal an, dieser Sam ist wirklich nur ein Geschäftspartner, sonst hättest du am Wochenende wohl kaum auf eine Nachricht von einem Mann gewartet, oder?«
Ich bestätigte ihre Vermutung. Shelley fragte mich weiter über die Agentur aus. Und dann, gerade als das Telefonat zum Ende zu kommen schien, stellte sie eine sehr seltsame Frage. »Warst du mal mit diesem Sam zusammen, Charlotte?«
»Nein!«, erwiderte ich schockiert.
»Nicht mal ein Flirt?«
»Nicht mal ein Flirt.«
»Schade«, sagte sie nachdenklich, dann beendete sie auf typische Shelley-Cartwright-Weise das Gespräch.
Der Tiefpunkt des Nachmittags war mein Chat mit Matty gewesen. Binnen zehn Minuten hatte ich eine Antwort erhalten. Matty hatte bereitwillig einem Rendezvous am Mittwochabend zugestimmt.
»Du bist echt gut bei diesem Online-Dating-Mist, Charley«, stellte Margot fest, als sie mein Büro verlieÃ. »Deine kleine Agentur wird sich vermutlich recht gut entwickeln, sobald du Salutech auf den Knien verlassen hast.« Damit rauschte sie pfeifend zur Tür hinaus.
Bitte, lieber Gott , betete ich. Hilf mir. Sende mir ein Zeichen.
Doch Gott blieb stumm.
»Bowes?«, rief ich und schloss die Wohnungstür hinter mir. Den ganzen Nachhauseweg über hatte ich mich darauf gefreut, ihn zu sehen. Ich hoffte, er würde mich aufmuntern können, indem er mit mir über das Chaos lachte, zu dem sich mein Leben entwickelt hatte, und mich mit Whisky abfüllte.
Die Wohnung war still.
Enttäuscht machte ich mir ein paar Champignons auf Toast, dann schickte ich, immer noch nervös und unglücklich, eine SMS an John, in der ich ihn fragte, ob er Lust hätte, mit mir was trinken zu gehen. Er hatte den ganzen Nachmittag über in einer Vorstandssitzung gehockt, so dass uns keine Zeit geblieben war, etwas auszumachen. Das klappt leider nicht , schrieb er zurück. Ich habe Freunde aus Frankreich zu Besuch und koche uns gerade was zum Abendessen. Habe ihnen gerade von Susans und meiner Trennung erzählt, vielleicht ist es noch ein bisschen zu früh, dich vorzustellen ⦠Doch lass dir das gesagt sein: Je eher ich ein groÃes Stück Boeuf für meine teure Lambert weichklopfen kann, desto besser.
Bei dem Gedanken, dass John durch und durch männlich mit einem Fleischklopfer vor seiner Marmorarbeitsfläche stand, verspürte ich einen heftigen Anflug mädchenhafter Erregung.
Ich telefonierte eine Stunde lang mit Ness, die mir riet, lieber Matty zur Rede zu stellen, als mit Hailey zu sprechen. AnschlieÃend
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