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Verliebt in einen Unbekannten

Verliebt in einen Unbekannten

Titel: Verliebt in einen Unbekannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Robinson
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Gillies hatte sich nur zweimal zu einem Familienbesuch herabgelassen und dabei meinen Dad komplett auflaufen lassen. Und obwohl ich mit John nur so kurz zusammen gewesen war, so wusste ich doch, dass ich mich unwohl gefühlt hätte, ihn in die verrückte Bruchbude einzuladen, in der ich meine Kindheit verbracht hatte.
    Als hätte er meine Gedanken gelesen, fragte Sam mich später nach meinen Gefühlen für John. Mein Herz machte einen Satz. Jaaaa! , dachte ich begeistert. Er ist eifersüchtig! Doch dann fiel mir wieder ein, dass Sam der männliche Part des »schönsten Paars in der gesamten Theaterlandschaft« war. Er erkundigte sich bloß nach John, weil er mein Freund war. Mein Freund, mein Freund, mein Freund , skandierte ich im Stillen.
    Vielleicht würde ich Sam tatsächlich in ein paar Monaten (Jahren?) wieder ausschließlich als Freund betrachten können. Im Augenblick tat ich das definitiv nicht. Welche geistig gesunde Frau sehnte sich danach, einen Freund so leidenschaftlich zu küssen, wie ich Sam küssen wollte? Ich konnte es nicht ertragen, wie gut er aussah, da auf dem Fußboden, den Rücken gegen einen Sessel gelehnt, abwesend mit einem Finger im Ohr pulend, die Pferde unter uns betrachtend.
    Â»John«, sagte ich langsam und versuchte, mir klar zu werden, was ich für ihn empfand. John ging es laut Cassie nicht besonders gut. Als seine Frau in sein Büro marschiert war und ihn wegen der Affäre mit mir zur Rede gestellt hatte, war Chambers offenbar komplett durchgedreht und hatte gedroht, ihn zu feuern. Hätte er nicht gerade seine Pressesprecherin verloren, hätte er seine Drohung vermutlich sogar wahrgemacht. Nun schien Washington John rausekeln zu wollen, was seine Fetter-Tigerkater-Pläne aller Wahrscheinlichkeit nach ernsthaft in Gefahr brachte.
    Â»Er tut mir fast leid«, antwortete ich Sam wahrheitsgemäß. »Er hat echt kolossalen Mist gebaut.«
    Â»Aber du würdest es immer noch gern mit ihm treiben«, stellte Sam fest.
    Â»Nein. Absolut nicht. Und zwar nicht, weil er verheiratet ist. Das Kapitel ist einfach abgeschlossen. John ist Teil eines Lebens, das ich nicht mehr führen möchte.«
    Â»Wow«, sagte Sam. Er wirkte aufrichtig überrascht. »Ich hätte nie gedacht, dass ich dich das einmal sagen hören würde!«
    Ich lächelte reuevoll. »Ich auch nicht. Doch je länger ich nicht mehr bei Salutech bin, desto mehr stelle ich fest, wie sehr ich dort mein Leben vergeudet habe. John, die Firma – alles war verkehrt.« Ich spießte ein Stück Lamm auf meine Plastikgabel und kaute in nachdenklichem Schweigen. »Ich bin ein ganz schöner Dummkopf gewesen«, gab ich zu. »Ein irrer, Hosenanzüge tragender Dummkopf.«
    Â»Ach, du sprichst von dem Workaholic Charley. Sei nicht so streng mit ihr. Sie ist gerade dabei, ihr Leben in Ordnung zu bringen.«
    Als wir aufgegessen hatten, war Sam offenbar betrunken, denn er öffnete allen Ernstes die Flasche Wein, die er beim Inder gekauft hatte. Der Wein roch – wie vermutet – nach Brennspiritus, der ein flüchtiges Techtelmechtel mit ein paar sehr minderwertigen Trauben gehabt hatte. »Zum Wohl«, sagte er und zog zum Nachtisch zwei Karamellriegel aus der Jackentasche. Ich schüttelte verzweifelt den Kopf – nur mit Sam aß ich so ein Zeug –, doch dann dachte ich: Ach, was soll’s?, und streckte die Hand aus.
    Seltsamerweise machte ich mir in Sams Gegenwart weniger Gedanken um meine Figur.
    Nach dem Essen schleppten wir uns vollgefressen und betrunken aufs Sofa, von wo aus wir aus dem Fenster in den Nachthimmel starrten. Ich war froh über den Verlauf des heutigen Abends. Alles hatte sich halbwegs normal angefühlt. Wir hatten nicht miteinander geflirtet – und leider auch nicht geknutscht –, und ein Teil der Befangenheit, die mich zuvor geplagt hatte, war von mir abgefallen.
    Deshalb war ich sehr verunsichert, als Sam plötzlich verkündete, er würde sich seltsam fühlen.
    Â»Ach?«, sagte ich, augenblicklich auf der Hut.
    Â»Du nicht?«, fragte er und starrte reglos aus dem Fenster.
    Ich fühlte mich ein bisschen betrogen. Hatte ich mich nicht gerade dazu beglückwünscht, diesen Abend ohne irgendwelche peinlichen Momente verbracht zu haben? Ich fühle mich schon die ganze Zeit absolut seltsam! , hätte ich am liebsten geblafft. Jetzt bring

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