Verliebt in einen Unbekannten
Na und? Und ohne so richtig zu wissen, was ich da tat, beugte ich mich vor und legte meine Lippen auf seine. Für den Bruchteil einer Sekunde war er zu überrascht, um zu reagieren. Doch dann erwiderte er meinen Kuss. Langsam, sanft. Unsere Lippen berührten sich kaum. Er umschloss meine Oberlippe, dann rutschte er zu meiner Unterlippe. Seine Hand legte sich leicht um meine Taille, was in mir ein köstliches, warmes Prickeln auslöste, das sich bis in die letzte Faser meines Körpers ausbreitete.
Sams Kuss wurde fester, dann rückte er ein paar Zentimeter von mir ab, um mich anzusehen. »Charley Lambert«, sagte er sanft. Ich erwiderte seinen Blick, dann schaute ich schnell zur Seite. Es war mir fast unerträglich, ihm aus so geringer Distanz in die Augen zu sehen.
»Ja, die bin ich«, flüsterte ich unsicher.
Zu meiner Bestürzung rückte Sam noch ein Stück weiter von mir ab und nahm seine Hand von meiner Taille. Die andere hielt weiterhin meine fest, doch sie fühlte sich plötzlich schlaff an. »Nun?«, fragte er.
Ich konnte nicht antworten. Brachte es nicht über mich, ihm die Wahrheit zu sagen: dass ich seinen Kuss so sehr genossen hatte wie noch keinen anderen zuvor; dass ich meinte, in ihn verliebt zu sein. Ich wusste, dass er nicht dasselbe empfand, egal, wie schön unser Kuss gewesen war. Er war Sam Bowes, männlicher Part des »schönsten Paars in der gesamten Theaterlandschaft«.
Also zuckte ich die Achseln, als wollte ich die Frage an ihn zurückgeben.
Sam wirkte deprimierend erfreut. »Alles so, wie ich dachte«, erklärte er mit fester Stimme. »Nada.«
» STIMMT !«, kreischte ich überspannt. »Ich wette, da ist tonnenweise mehr Chemie im Spiel, wenn du Katia küsst, hab ich recht?«
Sam nickte. »Ja. Tonnenweise mehr Chemie. Ich liebe es, mit Katia zu knutschen! Sie ist der Hammer! Ich könnte sie den ganzen Tag lang küssen! Nun ja, genau das tue ich ja auch ständig. Haha. Tja, so weit, so gut. Wir haben unser Experiment also wiederholt und unsere Schlüsse gezogen. Zum Wohl!« Er stieà sein Glas gegen meinen Tumbler.
Und ich kippte vier Fingerbreit Scotch in einem Zug runter.
Kapitel zwanzig
Strahlend trat ich einen Schritt zurück, um den Weihnachtsbaum zu bewundern. Er sah einfach toll aus! Kein moderner, spartanisch geschmückter Baum mit glänzenden Goldkugeln und weiÃen Lichtern, sondern ganz so, wie Mum und Dad ihn liebten: groÃ, ausladend, verrückt, vom Fuà bis zur Spitze vollbehängt mit ausgefallenem Weihnachtsschmuck, knallbunten Lichtern, Schokoladennilpferden, kleinen Holzschächtelchen und verschiedensten anderen seltsamen Dingen, die Dad über die Jahre angehäuft hatte. Ich lachte, als ich seinen Lieblingsholzgecko auf die Spitze setzte. Jeder normale Mensch hätte dort einen Stern angebracht.
Ich konnte mir nur vage vorstellen, welche aberwitzigen Schätze Dad aus seinem Rucksack zaubern würde, wenn die beiden nächste Woche heimkehrten. Ich wappnete mich bereits für die Möglichkeit, dass er sich lange graue Dreadlocks hatte wachsen lassen und eine Kette mit bunten Perlen um den Hals trug.
Malcolm, dem ich ein festliches Rentiergeweih aufgesetzt hatte, tat so, als würde er mich nicht bemerken, als er ein Schokonilpferd von einem der unteren Zweige zupfte und zu seinem Hundebett brachte. In diesem Haus war nichts und niemand normal! Ich hatte beschlossen, die Woche vor Weihnachten in meinem Elternhaus in East Linton zu verbringen, damit ich Malcolm aus der Obhut der Eheleute Jones befreien, Granny Helens Sachen durchgehen und das Haus festlich herrichten konnte, bevor Mum und Dad aus Indien zurückkehrten. Ich genoss es sehr, wieder hier zu sein. Noch immer hatte ich keinen anderen Ort auf der Welt gefunden, an dem ich mich mehr zu Hause fühlte als hier bei meinen Eltern.
Wohl zum zwanzigsten Mal heute stellte ich mir vor, dass Sam das Weihnachtsfest im Lambertâschen Hauptquartier verbrachte.
Anstatt langsam abzusterben, waren meine Gefühle für Sam immer intensiver geworden. Jedes Mal, wenn er mir eine E-Mail wegen First Date Aid schickte, schlug mir das Herz bis zum Hals, nur für den Fall, dass diese Mail die entscheidende wäre. Doch sie war es nie. Die Nachricht, die er mir heute geschickt hatte, war mein letzter Strohhalm.
Chas! Wie geht es meiner verschollenen Mitbewohnerin? Ich vermisse dich, und ich kann
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