Verliebt in einen Unbekannten
Granny Helen hatte recht, wie immer. Ich brauchte ein Hobby, damit ich nicht durchdrehte. Und mir war gerade eins eingefallen.
Kapitel vier
12. September 2012, zehn Wochen später
Ich musste weg von meinem Schreibtisch, weil ich mich nicht mehr halten konnte vor Lachen , schrieb Iain. Warum zum Teufel habe ich Anmachkneipen nach einem Mädchen wie dir abgesucht? Besteht die Chance, dass wir uns heute Abend sehen?
»Hihi!«, kicherte ich. »So ein Schwachkopf.«
Sam, der vor dem Herd stand, blickte sich um. »Hm?«
»Ach, nichts. Nur ein Typ, der sich in eine meiner Klientinnen verknallt hat. Er reiÃt sich ein Bein aus, um sich heute Abend mit ihr zu treffen. ICH LIEBE ES , Sam!«
Sam kam zu mir rüber, die Pfanne in der Hand, wobei er gelegentlich die Fetzen des weltschlechtesten Omeletts umrührte.
»O mein Gott«, stieà ich entsetzt hervor und betrachtete die Sauerei. »Yvonne kann sich glücklich schätzen, einen so talentierten Koch wie dich zu heiraten.«
Er grinste. »Absolut, Chas. Trotzdem: Das Zeug hat Proteine un d Vitamine, genau wie du es wolltest. Sieh mal, ich habe auch noch etwas Kartoffelpüree gemacht, damit du deine gesunden Kohlehydrate bekommst, oder was immer das war«, fügte er hinzu und deutete auf eine Schüssel mit weiÃem Matsch, durchsetzt von dunklen Kartoffelschalenschnipseln.
Plötzlich verspürte ich eine riesige Woge der Liebe für Sam über mich hinwegschwappen, gefolgt von Verdruss, weil ich nicht einfach aufspringen und ihn umarmen konnte. Während der letzten Wochen war er ein wahrer Engel gewesen. Seit Mum mich von zu Hause entlassen hatte, hatte er mir unzählige Mahlzeiten gekocht, und auch wenn sie ekelig gewesen waren, hatte er mir kein einziges Mal WeiÃbrot oder Nutella vorgesetzt. Er hatte mich in meinen Rollstuhl gehievt und wieder heraus (in den »Panzer«, wie er ihn getauft hatte), hatte mir geholfen, mich auf Krücken durch die Wohnung zu schleppen, und er hatte sich regelrecht darum gerissen, mich bei meiner frischgebackenen Firma First Date Aid mit herzerwärmender Begeisterung zu unterstützen.
Seine Mitwirkung an meinem Unternehmen war völlig unerwartet gekommen. Er hatte den August damit verbracht, in der ganzen Stadt Flyer zu verteilen, und gerade erst hatte er sich ganz spontan eine Woche ans Telefon gehängt und mit wichtigtuerischen Vertriebsleuten um günstige Anzeigen gefeilscht. Ich hatte ihn vom Sofa aus beobachtet, auf dem ich mich in meiner Jogginghose fläzte, und erstaunt zugehört. Wer hätte gedacht, dass in Samuel Bowes ein ausgefuchster Geschäftsmann steckte? Die Jobs, die Sam annahm, um sich als beschäftigungsloser Schauspieler über Wasser zu halten, waren für gewöhnlich so anspruchslos wie möglich. Meistens arbeitete er für Werbefirmen, wenn diese ihre schicken Events ausrichteten, denn er sah umwerfend aus, konnte ausgesprochen charmant sein und brachte ältere Damen dazu, sich jung und besonders zu fühlen. AuÃerdem bettelte er mich regelmäÃig an, ihn in klinischen Studien bei Salutech unterzubringen, weil er das (erschreckenderweise) als leicht verdientes Geld betrachtete. »Ich meine, im Grunde nehme ich doch bloà ein paar Medikamente, beantworte Fragen und dann ⦠schaue ich, ob ich noch lebe!«, sagte er zu mir. »Was soll daran nicht toll sein?« Vor Kurzem erst hatte ich ihn in eine Versuchsreihe für ein konzentrationsförderndes Mittel eingeschleust. Er war begeistert gewesen. »Ich werde dafür bezahlt, Speed zu nehmen!«, hatte er Yvonne kichernd verkündet.
Es gab also durchaus Gründe, warum ich Sam als potentiellen Geschäftsmann abgeschrieben hatte.
Dennoch war First Date Aid â Erste Hilfe fürs erste Date â nun dank seiner Unterstützung überall präsent, sogar im Scotsman. Es war Sam irgendwie gelungen, mir ein brillantes Feature zu verschaffen, und seitdem strömten die Anfragen nur so herein. Inzwischen hatte First Date Aid nicht weniger als achtundsechzig hoffnungslose Dating-Kandidaten gewonnen. Achtundsechzig! Nur drei Wochen nach der Geschäftseröffnung!
Um das wiedergutzumachen, würde ich so viele seiner grauenvollen Omeletts plus Kartoffelpampe in mich hineinschaufeln wie nötig. Das neue Geschäft war alles, was mich davon abhielt, vollends durchzudrehen. »Das sieht tatsächlich nach perfekten
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