Verliebt in einen Unbekannten
Männer und Frauen jeglichen Alters, die alle eins gemeinsam haben: die chronische Unfähigkeit, sich der Sprache der Liebe zu bedienen.
Peter aus Hoboken, 46, ist Geschäftsführer einer mehrere Millionen Dollar schweren Beratungsfirma für Software-Entwicklung. Nach dem Tod seiner Ehefrau vor zehn Jahren machte er sich auf die Suche nach einer neuen Partnerin. Doch, so stellte er bald fest, »das ist einfach nichts für mich. Ich sehe mir die Profile all dieser forschen Frauen an und habe keine Ahnung, was ich ihnen schreiben soll.«
Am Freitag trifft Peter sich nun mit Lindsey, einer Marketingleiterin aus dem West Village. Lindsey weià natürlich nicht, dass die herzlichen, witzigen E-Mails, die sie dazu bewogen haben, den Freitagabend mit Peter zu verbringen, in Wirklichkeit von einem gesichtslosen Fremden im Auftrag von Cyber Love Assistants verfasst wurden.
»Natürlich hätte ich die E-Mails gerne selbst geschrieben. Aber ich kann doch nicht einfach hier rumsitzen und das Leben an mir vorbeistreichen lassen«, sagt er. »Wenn ich diese Phase des Balzrituals nicht in andere Hände gebe, dann bleibe ich mein Lebtag allein.«
Hat er vor, Lindsey dies zu beichten, sollte zwischen ihnen tatsächlich der sprichwörtliche Funke überspringen?
»Das weià ich noch nicht. Es ist schon ziemlich beschämend, sein eigenes Liebesleben jemand anderem zu überantworten.«
Gilly ist da anderer Meinung. »Das ist eine wundervolle Idee! Die Frauen, für die ich schreibe, sind wirklich dankbar!«, schwärmt sie begeistert. »Warum sollten sich die Menschen die Chance auf Liebe entgehen lassen, nur weil sie sich nicht aufs Online-Flirten verstehen?«
Ich blickte den Hügel hinab zu Hailey, die Erdbeeren in Mattys geöffneten Mund warf. Meine Freundin war ein wahrer Schatz, ein wirklich wunderbarer Mensch, aber ein Ass im Flirten? Gott bewahre! Ich dachte an die erste Mail, die sie nach ihrer Anmeldung bei einer Singlebörse verfasst hatte. Sie war einfach Mitleid erweckend gewesen: Hey!! Dein Profil ist echt toll!! Obwohl ich mich frage, wer die Tussi ist, die du da im Arm hältst, etwa deine Exfrau?!? Ich habe das ganze Wochenende frei, wenn du also Lust hast ⦠;)
Als ich ihr mitteilte, dass das der schlechteste Annäherungsversuch sei, den ich je gelesen hatte, war sie aufrichtig erstaunt gewesen.
»Was meinst du damit, ich soll geheimnisvoll und zurückhaltend sein? Wer behauptet das?«, hatte sie mit schamglühendem Gesicht geknurrt.
Ich war sprachlos gewesen. Und dann war mir aufgegangen, dass es nichts brachte, ihr das Spielchen zu erklären: Entweder man hatte es drauf oder eben nicht. Ohne zu zögern, verbot ich ihr, auch nur ein einziges Wort zu schreiben, und ernannte mich zu ihrem offiziellen Ghostwriter. Matty, der sie an jenem Abend unter seinen Favoritinnen gelistet hatte, war kinderleicht zu knacken gewesen.
Es klang so, als hätte Gilly, 29, aus Brooklyn, ein ähnliches Talent, verbale Liebespfeile zu versenden. Mir gefiel, was sie schrieb.
Ich las weiter und fing an zu kichern. Ja â sie wusste, wieâs ging. Lustig, ein bisschen frech und voller spielerischer Ironie.
Samstag wäre groÃartig , hatte Gilly anstelle von Sarah aus North Arlington geschrieben. Aber Verabredungen zum Mittagessen mag ich gar nicht. Wenn du mich nämlich am helllichten Tage siehst, bist du von meiner ätherischen Schönheit vermutlich so geblendet, dass du glatt rückwärts in den Hudson fällst. Wie wärâs, wenn wir uns stattdessen am frühen Abend treffen?
Ich nickte anerkennend. Vielleicht könnte das Ganze noch ein kleines bisschen herzlicher klingen, doch es war definitiv besser als das, was die arme Sarah aus North Arlington fabriziert hätte. Es ist einfach toll, einen Ghostwriter zu haben , schwärmte diese. Sobald ich online bin, weià ich einfach nicht, was ich schreiben soll. Meist lasse ich nur eine Schimpfkanonade gegen meinen Exmann vom Stapel ⦠Diese geheimnisvolle Frau hat mein Leben gerettet!
Steve Sampson, CEO von Cyber Love Assistants, weist eindringlich darauf hin, dass der Erfolg seines Unternehmens keineswegs belächelt werden sollte, so aberwitzig die Idee zunächst auch klingen mag. »Im Augenblick beschäftigen wir über hundert Ghostwriter«, erklärt er, »deren Dienste von mehr als viertausend Online-Partnersuchenden genutzt werden.
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