Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Erden. Eines aber ist immer gleich geblieben: Sie ist eine Perfektionistin wie ihre Mutter, und das bedeutet, dass sie unzufrieden ist, wenn sich das Leben nicht nach ihren Wünschen fügt.
Ich meldete mich am Rechner ab, griff nach meiner Handtasche und ging hinüber zu Coco. »Bist du so weit, damit wir …«
»Mom!«, kreischte Coco.
»Was ist denn los?«
»Du liest meine Mail!«
Das sagte sie mit jenem Ausdruck selbstgerechter Entrüstung, den sie vervollkommnet hat, seit sie Autofahren gelernt und darin wie in allem anderen zur Expertin geworden ist.
»Ich versichere dir, dass ich deine Mail nicht lese«, sagte ich und widerstand dem Drang, ihr mitzuteilen, dass es mich wirklich nicht die Bohne kümmerte, welches kleinliche Drama gerade wieder zu Hause unter ihren Freundinnen im Gange war. (Sie sind allesamt sehr nette Mädchen, sollte ich vielleicht erwähnen. Aber diese jungen Frauen kultivieren ein Drama ohne Ende, das mich in jeder Hinsicht erschöpft.)
Ich schloss die Augen und spulte folgende Auskunft ab: »Die Fluggesellschaft wird dir zweitausendachthundert Dollar zahlen, sollte sie deine Tasche tatsächlich verloren haben. Wahrscheinlicher aber ist, dass deine Tasche einfach nur fehlgeleitet wurde. Und dafür zahlt sie dir … Moment … fünfhundert Dollar.«
»Okay«, sagte Coco und kehrte mir den Rücken zu. »Echt jetzt, ich brauch noch fünf Minuten.«
»Echt jetzt, warum?« Ich versuchte, sie von dieser »Echt jetzt«-Marotte abzubringen.
» Mama! «, jaulte sie auf. »Ich bin mitten in was drin. Siehst du das denn nicht?«
»Schön«, sagte ich. »Ich bin dann draußen.«
Während ich wartete, rief ich mir ins Gedächtnis, was meine Therapeutin Nancy zu sagen pflegt. Wie wichtig es bei solchen Gelegenheiten sei, tief durchzuatmen. Dass ruhiges Einatmen dazu beitrage, den Puls zu verlangsamen und Angstattacken vorzubeugen. Dass es einem durch bloßes Atmen besser gehen könne.
Trotzdem musste ich mich fragen, ob es nicht ein Fehler war, Coco mit auf diese Reise zu nehmen. Wurden ihre ständigen verletzenden Gefühlsumschläge von Hormonen verursacht? Oder war sie einfach so?
Samstagabend würde ihr Oberstufenball stattfinden. Coco war von keinem der Jungen gefragt worden, ob sie mit ihm hingehen wollte. Sie gab sich zwar gleichgültig und hatte mich aufgeklärt: »Keiner geht zu diesen Bällen. Dating ist nur was für Loser.« Aber ich wusste, dass sich viele ihrer Freundinnen mit einem Jungen zu diesem Ball verabredet hatten – statt als Gruppe hinzugehen wie früher in der Unterstufe, als Coco dabei gewesen war. Ich konnte nur vermuten, dass der akute E -Mail-Notfall eine Freundin betraf, die unlängst von einem Jungen eingeladen – oder abgesägt – worden war.
Coco hatte unter ihren Freundinnen eine Art Anführerrolle. So sehr sie mich auch im Augenblick frustrierte, war ich doch froh, dass andere Mädchen sich ihr offenbar anvertrauen konnten. Ich nahm mir vor, künftig geduldiger mit ihr zu sein.
Unterdessen flatterte die Zeitungsschlagzeile wie eine feindliche Flagge in meinem Kopf hin und her: »Was will Daisy Sprinkle?«
Ich hätte Ihnen eine ganze Wunschliste herunterrasseln können: Gesundheit für meine Tochter und mich. Ein erfüllendes Berufsleben. Ein gemütliches Zuhause. Finanzielle Sicherheit.
Natürlich wollte ich das alles haben. Das wollte doch jeder. Das Dumme war, dass ich all das hatte. Was wollte ich also noch? Was unterstellte man Frauen wie mir, sonst noch haben zu wollen?
Ich sah Coco durchs Fenster beim Tippen zu. Gerade lachte sie mit geschlossenen Augen und hielt sich die Hand vor den Mund. Meine Tochter, das menschliche Pendel.
Offensichtlich war sie mitten in was drin. War es das, was ich wollte? Teilnehmerin einer verzwickten und dramatischen Angelegenheit sein? Die Cheerleaderin bei der Romanze einer Freundin sein? Oder eine eigene Romanze erleben?
Nein, danke. Das hatte ich jahrelang gehabt. Das letzte Mal lag ein Jahr und zwei Restaurants zurück. (Oder waren es zwei Jahre und drei Restaurants? Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man keinen Sex hat.) Jedenfalls handelte es sich um den Inhaber eines französischen Restaurants draußen in Oak Park, der mich überredet hatte, bei dem Bistro zu kündigen, in dem ich gerade arbeitete. Der Kerl, der Chuck hieß (»Wieso hast du Anrufe von einem Mann namens Chuck überhaupt angenommen?«, wollte meine Freundin Solange hinterher wissen), behauptete, ohne mich und mein Poulet roti L’Ami Louis ,
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