Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
spüren. Das war einerseits gut für die Verwirklichung von Emmas Vorhaben, andererseits kannte sie ihre Schwester. Wenn Lisa einen Plan verfolgte, konnte das schon mal unangenehm werden.
Sie versuchte, das Missverständnis sofort aufzuklären. »Überhaupt nicht, ich dachte nur …«
»Erzähl mir doch nichts. Ich kenn dich ja schließlich schon ein paar Jahre. Du willst ihn wiedersehen, stimmt’s?«
Das zumindest konnte Emma nicht wirklich bestreiten. Nur waren die Gründe so ganz anderer Natur, als Lisa glaubte. Zu spät. Und eigentlich war es auch Jacke wie Hose, was ihre Schwester dachte. Hauptsache, sie lud den kanadischen Holzfäller für heute Abend als Versuchskaninchen ein.
»Ich ruf ihn sofort an«, sagte Lisa auch prompt, »der hat bestimmt noch nichts vor, weil er am Samstag meistens seine Abrechnung macht. Geh aus der Leitung, ich regle das. Bis später.« Wenn sie ein bestimmtes Ziel verfolgte, konnte Lisa manchmal schon fast beleidigend deutlich sein. Doch diesmal war das Emma ganz recht. Sie wusste das Problem in den besten Händen. Hoffentlich verlief der Abend dann auch zu ihrer Zufriedenheit, sodass sie am Dienstag mit neu aufgefrischtem Selbstbewusstsein Jo ganz locker gegenübertreten konnte.
Bevor Emma die Wohnung verließ, warf sie noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Ja, alles sah noch genauso perfekt aus wie eine Stunde zuvor kurz nach Fertigstellung. Vielleicht hätte sie, als Schnittmuster sozusagen, ein Foto von sich machen sollen. Keine schlechte Idee. Schnell kehrte sie noch einmal um und suchte die Digitalkamera. Natürlich musste sie zuerst in sämtlichen Schubladen wühlen, bevor sie das Gerät in der Schlafzimmerkommode entdeckte.
Das eigene Spiegelbild zu fotografieren erwies sich als keine gute Idee, da der reflektierte Blitz das gesamte Bild überstrahlte. Also Selbstauslöser. Emma rief die entsprechende Einstellung auf, legte die Kamera an den Rand des Nähtischchens und trat einige Schritte zurück. Das Gerät blinkte ein paar Mal – klick –, Foto im Kasten. Nur leider ohne Kopf, wie der anschließende Kontrollblick zeigte. Und die Frisur musste doch auch unbedingt festgehalten werden. Also noch eins, diesmal mit leicht nach hinten gekippter Kamera. Einstellen, zurücktreten, klick. Jetzt war alles drauf. Noch eins zur Sicherheit. Perfekt.
Niemals in der gesamten Menschheitsgeschichte war ein Rendezvous besser vorbereitet worden. Emma zog nahezu euphorisch los.
Es war gar nicht so einfach, mit dem engen Cocktailkleid aufs Fahrrad zu steigen. Doch im Überwinden derartiger Schwierigkeiten hatte Emma Übung. Sie schob den Rock vorsichtig etwas nach oben, bestieg den Drahtesel, hakte die Stöckel der schwarzen Pumps an den Pedalen ein, und schon ging’s. Ein zarter Frühlingswind strich ihr um die seidenbestrumpften Beine, während sie in Richtung Harlaching fuhr. Hoffentlich zerstörte er nicht die kunstvoll drapierte Lockenfrisur, die doch unbedingt bis zur Ankunft überleben musste. Um diese Gefahr nicht noch zu erhöhen, drosselte sie das Tempo ein wenig. Lieber wollte sie etwas verspätet als wie ein zerrupfter Vogel auf der Bildfläche erscheinen – so viel stand fest.
Gemütlich fuhr sie die Straße entlang und hatte zum ersten Mal seit Langem ein Auge für die Schönheiten der Natur, die um diese Jahreszeit langsam erwachte. Rosafarbene Blüten kämpften sich aus den Knospen der Bäume hervor, und frische hellgrüne Blättchen überzogen die bis vor Kurzem noch kahlen Äste.
Emma atmete die laue Luft, die ein wenig nach Jasmin und frisch geschnittenem Gras roch, und freute sich über den Frühling, der eindeutig ihre liebste Jahreszeit war. Auf das bevorstehende Treffen mit Jo, das sie in Sachen Liebe bestimmt einen großen Schritt weiterbringen würde. Und auf die nächsten Stunden im Hause Merker, die hoffentlich ihre Zuversicht beflügeln würden. Jedenfalls war, so fand sie, das Leben im Moment ganz in Ordnung. Und vielleicht sogar bald filmreif, sozusagen.
Vor der Haustür der Schwester warf Emma noch einmal einen prüfenden Blick auf ihr Spiegelbild an der Glasfront des Hauses und zupfte einige Locken zurecht. Sie strich den Mantel über dem Kleid glatt, setzte ein möglichst einnehmendes Gesicht auf und drückte die Klingel. Es dauerte überraschend lang, bis sie das Klappen der Flurtür und Schritte im Inneren hörte. Dann wurde geöffnet, und Willi stand ihr gegenüber. Damit hatte sie nun nicht unbedingt gerechnet, doch es kam ihr
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