Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
mehrmals ausgewichen war.
Nachdem sie sämtliche Hindernisse erfolgreich umrundet hatte, kam sie schließlich mit heiler Haut zu Hause an und ging sofort ins Bett. Für ein erfolgreiches Date hatte sie getan, was sie konnte. Wahrscheinlich sogar mehr als das. Jo war der Mann ihres Lebens … ihres Lebens, das Rendezvous vorbereitet … bis ins kleinste Detail vorbereitet, Outfit und Styling sogar noch … dank Willi … auf Herz und Nieren geprüft … O ja. Und dieser Kuss … und Jo … Kaum hatte sie sich in einem Nebel diffuser Gedanken hingelegt, schlief sie auch schon ein.
Am Dienstag war sie den ganzen Tag so aufgeregt, dass sie sich kaum auf die Arbeit konzentrieren konnte. Ob Einfädeln, Abstecken, Auftrennen oder gar Nähen – nichts wollte beim ersten Mal gelingen, manches sogar auch nach mehreren Versuchen nicht. Beim Gedanken an den bevorstehenden Abend schlug Emmas Herz so laut, dass sie fast befürchtete, die Kolleginnen könnten aufmerksam werden. Dass ihr fast ununterbrochen die Hände zitterten und sie bei jedem falschen Wort empfindlich reagierte, hatte sie nicht besonders lange vor ihnen verbergen können.
Nach Feierabend zu Hause wurde es leider nicht viel besser. Am vergangenen Samstag hatte sie mehrere Stunden Zeit gehabt, um sich in aller Ruhe zurechtzumachen, aber heute war Eile geboten. Das Foto des erwünschten Endergebnisses hatte Emma auf das Bord vor ihrem Badezimmerspiegel gelehnt und behielt es während der gesamten Styling-Prozedur ständig im Blick.
Unglücklicherweise klappte das Schminken heute – vermutlich wegen zitternder Hände und klopfendem Herzen – bei Weitem nicht so reibungslos wie beim Probelauf. Die Locken fielen nicht so schön, der Lidstrich war irgendwie verrutscht, und die Seidenstrümpfe bekamen beim hektischen Anziehen eine hässliche Laufmasche am Oberschenkel.
Als Emma gerade die Strümpfe wechseln wollte, klingelte es an der Tür. Starr vor Schreck warf sie einen Blick auf die Uhr und musste entsetzt feststellen, dass Jo im Gegensatz zu ihr äußerst pünktlich war. Das Gesamtkunstwerk »Schauspielerin Emma« war noch nicht ganz fertig. Leider.
Schnell lief sie zur Sprechanlage und meldete sich mit einem zaghaften »Ja?«. Hoffentlich hörte man das Klopfen ihres Herzens nicht unten auf der Straße. Bis zum Hals jedenfalls schlug es schon. Mindestens.
»Hier ist Jo-ho«, jubilierte es scheppernd durch den Lautsprecher, was Emmas inneren Tumult zum Erdbeben verstärkte. Er schien jedenfalls kein bisschen aufgeregt zu sein. Herzlichen Dank.
»Ich komme sofo-hort«, versuchte sie seinen singenden Tonfall nachzuahmen und hängte den Hörer ein. Erst jetzt merkte sie, dass die Laufmasche gerade auf dem Weg in Richtung Knie war. Daran konnte sie nun auf die Schnelle nichts ändern. Vielleicht aber sollte sie, anders als beim Test am Samstag, darauf achten, dass der Rock auf keinen Fall nach oben rutschte. Na ja, mit dem Fahrrad musste sie ja zum Glück heute nicht fahren. Noch schnell ein vergleichender Blick vom Foto zum Spiegel und zurück. Das musste jetzt wohl genügen.
Auf dem Weg nach unten wäre sie vor lauter Aufregung fast gestürzt, konnte sich aber gerade noch am Treppengeländer festhalten.
Unten vor dem Haus war Jo verschwunden. Emma sah suchend die Straße entlang. Nichts. Für einen kurzen Moment musste sie sich zwingen, nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen. Dann riss sie sich zusammen.
Wie war das möglich? So lange hatte ihre Fertigstellung nun auch wieder nicht gedauert. Schließlich hatte sie nicht einmal mehr die Strümpfe gewechselt. Das konnte einfach nicht wahr sein, dass er schon nach so kurzer Zeit wie vom Erdboden verschluckt war. Zur Sicherheit kniff sie sich prüfend in den Unterarm. Vielleicht war das wieder einer dieser Träume, die sie in den letzten Wochen des Öfteren zum Narren hielten? Nein, offensichtlich nicht. Der Schmerz am Arm war da, der Regisseur blieb weg.
Sie blickte über die dichten Efeuranken an der Hauswand hoch zu ihrem Küchenfenster. Musste sie sich schon jetzt wieder in das Turmzimmer ihres Dornröschenschlosses zurückziehen? Nachdem sie gerade vom Prinzen aus einem gefühlt hundertjährigen Schlaf geweckt worden war? Warum schickte ihr eigentlich das Schicksal einen Traummann vorbei, wenn sie ihn dann auf der Stelle wieder hergeben musste, ohne ihn richtig anprobiert zu haben? Emma spürte, wie ein bisschen Wut in ihr aufstieg. Das Leben war echt ungerecht! Dabei hätte sie jetzt doch schon
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