Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
sich über die unliebsame Unterbrechung beschweren, doch von innen kam lediglich ein »Herein«. Emma zog die Tür auf, steckte aber nur den Kopf durch den Spalt, um bloß keinen Fauxpas zu begehen. Schließlich wusste sie nicht, wo und wann hier genau gedreht wurde.
»Ja?« Die Frau am Schreibtisch hob den Blick und sah Emma fragend an.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber ich komme vom Atelier Kreuzstich und suche eine Frau Schubert.« Den Rest hatte Emma vor lauter Aufregung schon wieder vergessen. Blieb nur zu hoffen, dass hier nicht allzu viele Mitarbeiter dieses Nachnamens existierten.
»Kein Problem. Den Gang entlang und dann die vorletzte Tür rechts.« Sie wandte den Blick voller Entschiedenheit zurück zum Computerbildschirm, und es bestand kein Zweifel daran, dass die Unterhaltung hiermit beendet war. Das »Danke« nahm die wortkarge Person vermutlich gar nicht mehr wahr, so emsig tippte sie schon wieder. Das Seriengeschäft schien ein recht stressiger Betrieb zu sein, folgerte Emma und machte sich auf Zehenspitzen auf den Weg zu der beschriebenen Tür.
Dort nahm man sie mit derartigem Hallo in Empfang, dass sich eine weitere Frage nach Frau Schubert erübrigte. Der Lärm ließ jegliche Aufforderung, leise zu sein, obsolet erscheinen. »Endlich«, jubelten mehrere glockenhelle Stimmen gleichzeitig, und Emma hatte sich selten so willkommen gefühlt. Richtig gut tat das, so geschätzt zu werden. Vielleicht sollte sie einfach für immer hier bleiben und überhaupt nicht mehr unter die Knute der Stichsäge zurückkehren?
Mehrere Hände griffen so hastig nach dem Kleidersack, dass Emma schon befürchtete, die kostbare Ware könnte in letzter Minute doch noch einen Schaden davontragen.
»Ich sag der Aufnahmeleitung Bescheid«, zwitscherte eine der Frauen und verschwand.
»Ich geh dann wieder ans Set zurück«, verkündete eine zweite, »hier läuft ja jetzt alles.«
Die beiden Verbliebenen strahlten Emma seliger an als Julia Roberts in einem ihrer Happy Ends.
Doch damit war es sogleich vorbei, als die erste Kollegin mit bestürzter Miene zurückkehrte. »Jetzt haben wir den Salat«, bemerkte sie, »die Schauspielerin ist noch gar nicht da. Stau oder so.«
»Das wird verdammt knapp«, war die Antwort, und alle drei nickten gewichtig.
»Dann muss jetzt eben eine von uns dran glauben.« Drei Augenpaare richteten sich wie abgesprochen auf Emma, die wieder einmal überhaupt nicht begriffen hatte, wovon die Rede war. Instinktiv kam ihr aber der Gedanke, es sei nun an der Zeit, sich so schnell wie möglich zu verabschieden. Die Stichsäge rotierte vermutlich bereits, weil sie so lange ausblieb. Emma konnte ihr Keifen förmlich hören: »Ich hab’s gewusst, nicht einmal so eine Lieferung kann diese Person in einer vernünftigen Zeit erledigen!«
Doch statt schriller Töne drang ein leichtes Säuseln an ihr Ohr: »Könntest du vielleicht … Ich bin Sanni, hi. Wie war noch mal dein Name?«
»Emma. Warum?«
»Ich sag der Aufnahmeleitung Bescheid«, meinte die erste Frau erneut und verschwand noch einmal.
»Hör zu, Emma, die Schauspielerin, die das Hochzeitskleid im nächsten Bild tragen soll, steht im Stau. Wir hatten heute eine kurzfristige Umstellung der Dispo, deswegen ist es hier gerade ein wenig chaotisch. Also jedenfalls kann sie das Kleid nicht vorher anziehen, um den Saum für die Szene zu präparieren. Verstehst du?«
Emma hatte – ganz anders als in ihrem Beruf üblich – schon nach dem ersten Satz den Faden verloren, dachte jedoch nicht im Traum daran, das zuzugeben. Sie nickte.
»Die Darstellerin ist ziemlich zierlich«, fuhr Sanni fort und grinste. »Wir ja nun leider nicht.« Sie sah ihr Gegenüber erwartungsvoll an und ähnelte dabei einem Hund, der gerade das Öffnen der Frolic-Packung vernommen hatte. Emma nickte vorsichtshalber noch einmal. Im selben Moment ahnte sie, dass genau das ein großer Fehler gewesen sein könnte.
»Du kannst dich hier drin umziehen«, flötete Sanni zuckersüß und schob die völlig überrumpelte Schneiderin hinter den Vorhang einer Umkleidekabine. Das Brautgewand samt Kleidersack folgte in Windeseile. »Danke dir«, hörte Emma noch von draußen.
Sie saß in der Falle. So ohne Weiteres würde sie hier nicht entkommen können.
Zwar hatte sie immer noch nicht ganz verstanden, welches Problem die Kostümabteilung von »Amtliche Gefühle« eigentlich hatte. Doch dass sie nun angehalten war, das von ihr gelieferte Hochzeitskleid selbst anzuziehen,
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