Verliebt Verlobt Vergeltung - Roman
vor die Nase. »Ich will nicht, dass mein Vater denkt, ich hätte mich verlobt, ohne ihm etwas davon zu sagen. Heute ist sein großer Tag.«
Lächelnd sah ich Carlton an und nickte. Der Julia-Ring würde vorerst unser kleines Geheimnis bleiben.
Die Hochzeit fand im Großen Ballsaal des Houstonian statt. Die Trauung dauerte ganze vier Minuten. Carltons Vater ratterte sein Eheversprechen herunter, als kenne er die Worte auswendig. Als seien sie ihm schon zur Gewohnheit geworden, aber so lästig wie ein Schluckauf.
Der Empfang entsprach dann schon eher seinem Wesen: etwas zu groß und zu laut und ein bisschen verwegen. Eine überdimensionierte, typisch texanische Angelegenheit, mit Steaks so groß wie Fußbällen und mexikanischen Musikanten, die zwischen den Gästen umherzogen und »La Cucaracha« sangen.
Forest Connors begrüßte uns unter einem der weit ausladenden Kronleuchter. Er lächelte sein strahlendes Politikerlächeln und winkte uns mit breiter, tatkräftiger Hand herbei. Statt eines Smokings trug er einen schwarzen Anzug. Und schwarze Cowboystiefel.
»Madeline«, sagte er und neigte seinen Kopf in meine Richtung.
»Mr Connors«, erwiderte ich.
»Welch eine Freude, mein Sohn, dass du es hierher geschafft hast«, sagte er und schlug Carlton herzhaft auf den Rücken.
Sichtlich verlegen umarmte Carlton seinen Vater kurz und meinte: »Du weißt ja, Dad, dass ich mir keine deiner Hochzeiten entgehen lasse.«
»Ach Mensch, jetzt gönn deinem alten Herrn doch das Vergnügen!«, lachte Forest Connors.
»Ich habe mal gelesen, dass verheiratete Männer länger leben sollen«, warf ich ein.
Forest Connors schaute mich an, als wäre ich ein lästiges kleines Insekt.
»Teufel aber auch, Madeline! Wer will denn schon alt werden?«, dröhnte Forest Connors Stimme durch den Saal. Er richtete den Finger auf mich, als wolle er mich hier und jetzt erstechen. »Lieber ein flottes Leben führen, jung sterben und noch im Sarg eine gute Figur machen. Habe ich Recht, mein Sohn?«, sagte er und knuffte Carlton in die Seite.
»Wer wüsste das wohl besser als du, Dad.«
»Das Leben ist kurz, Madeline. Geld kann ich jederzeit verdienen, aber mehr Zeit kann ich mir davon nicht kaufen«, sagte Forest Connors, zwinkerte Carlton zu und ging dann davon.
Sehr entwaffnend, wie Forest Connors sich gab. Mit seinen Schlangenlederstiefeln und seinem texanischen Akzent hätte er glatt als typischer Hinterwäldler durchgehen können. Jemand,
der mit seinem Traktor übers Feld tuckert und dabei auf einem Minzzweig kaut.
Wären da nicht seine Augen.
Ein Blick in seine dunklen Raubvogelaugen ließ erahnen, dass mit Forest Connors nicht zu spaßen war und man einen mitleidlosen Machtmenschen ersten Ranges vor sich hatte.
Wann immer ich Mr Connors an diesem Abend in meiner Nähe wusste, fühlte ich mich nicht ganz wohl in meiner Haut. Wenn ich lachte, lachte ich irgendwie zu laut. Insgeheim wusste ich, dass Carltons Vater der Ansicht war, Frauen sollten nett anzusehen, aber bitte nicht zu hören sein.
Vielleicht resultierte meine Abneigung gegen ihn auch aus seinem Verschleiß an Ehefrauen. Carlton hatte mich zudem darüber aufgeklärt, dass jede neue Mrs Connors noch eine Spur unbedarfter als ihre Vorgängerin ausfiel.
Forest Connors’ jüngste Bereicherung des Familienclans war die üppige Blondine Holly. Sie war neunundreißig, in früheren - wahrscheinlich sehr viel früheren - Jahren Finalistin bei der Wahl zur Miss Texas gewesen und nun der leibhaftig gewordene Traum eines jeden Schönheitschirurgen.
Wann immer Carlton sie in ihrem feuerroten Brautkleid auf uns zusteuern sah, raunte er mir zu: »Achtung, Achtung … Holly im Anflug!«
»Eine wahre Augenweide«, meinte ich.
»Hmm. Eine ziemlich abgegraste Augenweide«, befand Carlton, und wir lachten hämisch, was natürlich ein bisschen fies war.
Ich ahnte, dass Carlton sich sehr über das weiße Mercedes-Cabrio ärgerte, das sein Vater Holly zur Hochzeit geschenkt hatte, und das zur allgemeinen Bewunderung mit einer riesengroßen roten Schleife versehen vor dem Hotel stand - zumal Carlton noch immer in seinem kleinen verrosteten Honda durch die Gegend fuhr. Oder eben nicht fuhr.
Aber das allein konnte nicht alles sein, dachte ich mir.
»Warum kann mein Vater sich eigentlich nicht mit einer Frau begnügen wie andere Männer auch? Glaubt mein alter Herr vielleicht, dass alle Frauen nur darauf warten, von ihm vernascht zu werden?«, klagte Carlton, als wir zu einer
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