Verliebt Verlobt Vergeltung - Roman
von der Hochzeitskapelle ziemlich furchtbar intonierten Version von »Brown Eyed Girl« tanzten. Er hatte seine Arme um meine Taille gelegt und mich fest an sich gezogen.
»Der Apfel fällt nie weit vom Stamm, mein Süßer«, neckte ich ihn.
Carlton lächelte sein sexy Lächeln. »Keine Sorge, Darling«, flüsterte er mir ins Ohr. »Ich bin kein Apfel - ich bin zufriedener Stammkunde.«
Und das glaubte ich ihm und nahm es sogar als Kompliment - blind und blöd vor Liebe, wie ich war.
11
NATÜRLICH BIN ich viel zu früh im The Tavern. Ich habe zerknitterte Jeans und ein fleckiges T-Shirt an, auf dem vorne South Padre Island steht und hinten in blauer, halb verwaschener Schrift: Immer hart am Wind.
Da wäre ich also. Viel zu früh, hart am Wind und warte in einer dunklen, muffig riechenden Bar auf meinen Bruder.
Der Barkeeper stürzt sich mit einem schmierigen Lächeln auf mich.
»Sie sehen aus, als könnten Sie’nen Drink gebrauchen, Missy.«
»Danke, aber ich nehme nur eine Cola.«
»Vielleicht mit einem Schuss Jack Daniel’s?«
»Nein, danke. Ist ja noch nicht mal Mittag«, sage ich.
»Carpe Diem«, meint er achselzuckend.
So läuft das immer in Austin, Texas. Insgeheim ist hier jeder ein Intellektueller. Niemand ist, was er zu sein scheint. Arglos geht man in eine Bar, und der Barkeeper entpuppt sich als Doktor der Englischen Literatur und die Kellnerin als vielversprechende Jungregisseurin.
Mein intellektueller Barkeeper schiebt mir mein Glas rüber und sieht fast ein bisschen enttäuscht aus, dass ich mich nicht so richtig betrinken will.
Ich sitze auf dem Barhocker und nippe an meiner Cola. Mein Bruder Ronnie ist Ex-Alkoholiker und Ex-Junkie noch dazu, weshalb ich nie Alkohol trinke, wenn er dabei ist. Er versichert mir zwar immer, es wäre okay und mache ihm nichts aus - »Mach dir keine Sorgen, Maddy. Noch mal komme ich nicht vom rechten Weg ab.« -, aber ich denke, wenn ich Schokoholic
wäre, fände ich es bestimmt nicht so toll, wenn jemand direkt vor meiner Nase ein Snickers verschlingt.
Endlich kommt mein Bruder zur Tür hereinspaziert. Er trägt ein oranges Shirt der Texas Longhorns, denn er ist ein eingefleischter Fan. Seine Haare sind so verstrubbelt, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekommen.
»Ich hocke seit neun Stunden vor dem Computer«, sagt er und reibt sich ausgiebig die Augen. Beide zugleich, mit den Fäusten, wie er es schon als kleiner Junge getan hat.
»Versuchst du wieder, die Welt zu retten?«, frage ich ihn, während er sich zu mir an die Bar setzt.
Tadelnd sieht er mich an. »Alles zu seiner Zeit, Maddy, und ein Problem nach dem anderen - das ist mein Motto.«
Mein Bruder ist Suchtberater und betreut jugendliche Problemfälle. Meistens übernimmt er die ganz schweren Brocken, denn da kennt er sich aus. Er könne sich glücklich schätzen, überhaupt noch am Leben zu sein, sagt er, und seine Arbeit in der Suchthilfe sei seine Lebensaufgabe - seine »Berufung«.
Ich habe ihn mal in Aktion gesehen. Dreimal die Woche hält Ronnie Vorträge im Gemeindezentrum. Unentgeltlich. Mittlerweile hat er eine richtige Anhängerschaft gefunden und eine Krisen-Hotline für Jugendliche eingerichtet, die jeden Montag geschaltet ist - weder er noch seine Mitstreiter werden dafür bezahlt. Sie arbeiten die ganze Nacht durch, und das Telefon klingelt wirklich pausenlos.
Ich muss es wissen, denn ich habe dort auch mal mitgearbeitet. Nicht lange, aber lang genug, um zu wissen, dass mein Bruder wirklich etwas bewegt.
Er kümmert sich um Kids, die in ihrem kurzen Leben schon mehr Alkohol und illegale Drogen konsumiert haben, als die meisten Erwachsenen es sich vorstellen können - oder sich vorstellen wollen. Kids mit leeren, müden, alten Augen. Augen, die in zu kurzer Zeit zu viel gesehen haben.
Mein Bruder nennt sie seine »Wunderkinder« - weil jedes von ihnen ein Wunder gut gebrauchen könnte, wie er sagt.
Ich winke den Barkeeper herbei und bestelle noch eine Cola, zwei Cheeseburger, aber ohne Fritten und dafür mit Zwiebelringen und einer Portion Pickles extra.
Alles Routine. Diese Burgertreffen haben bei uns Tradition.
»Und du willst also Carlton umbringen«, kommt mein Bruder gleich zur Sache.
»So ist es.«
»Mit Killer-Brownies?«
Ich schlürfe meine Cola durch den Strohhalm und hülle mich in Schweigen.
»Hältst du dich für eine sensenschwingende Martha Stewart, oder was?«, fragt mein Bruder.
Der Barkeeper stellt zwei fettverschmierte rote Teller mit unserem
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