Verliebt Verlobt Vergeltung - Roman
weggeräumt, und wenn uns wirklich mal danach ist, uns ein bisschen zu quälen - beispielsweise an Weihnachten -, dann holen wir sie raus, gucken sie uns zusammen an, heulen und können gar nicht mehr damit aufhören.
Aber natürlich weiß ich, dass heute der Tag ist, an dem sie gestorben sind.
Ich nicke.
»Ich werde heute Abend zur Fünfuhrmesse gehen und eine Kerze für sie anzünden«, sagt Ronnie.
»Das ist … gut.«
Ein paar Minuten sitzen wir beide nur da und schauen zum Fenster raus. Es ist schön ruhig in der Wohnung meines Bruders. Draußen im Pool plantschen ein paar Kinder herum und spielen Fangen.
Plötzlich dreht mein Bruder sich um, schaut mich mit seinen funkelnden grünen Augen an und grinst. »Du willst also einen Killer auf Carlton ansetzen«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Und da dachte ich immer, ich hätte Dads heißblütiges italienisches Temperament geerbt.«
»Ich weiß - es klingt bescheuert, aber mir scheint es eben das einzig Vernünftige.«
»Wird es dir helfen, endlich damit abzuschließen?«
»Wie soll ich es Mr Perfect denn sonst heimzahlen? Sag es mir! Was soll ich tun, Ronnie? Soll ich ihn vielleicht verwünschen und hoffen, dass er vom Fahrrad fällt und sich das Knie aufschürft?«
»Warum willst du ihm überhaupt was heimzahlen?«
Ich trete auf den Fußhebel und lasse den Sessel hochschnellen. »Weil er mein Leben ruiniert hat! Jetzt will ich ihm wenigstens einen einzigen Tag seines Lebens ruinieren. Nur einen einzigen Tag seines perfekten Lebens. Ist das vielleicht zu viel verlangt?«
Mein Bruder zögert. Dann holt er einen Zettel aus seiner Hosentasche und hält ihn mir vor die Nase.
»Merk dir diese Nummer«, sagt er. »Schnell.«
»Warum?«
Mein Bruder zückt sein Feuerzeug und hält es an den Zettel.
»Weil ich es mir sonst anders überlegen könnte.«
»Danke, kleiner Lieblingsbruder.«
»Und um es gleich klarzustellen, Maddy - ich bin absolut
dagegen, dass du so etwas machst. Ich gebe dir die Nummer nur deshalb, weil ich dir mein Leben verdanke. Aber mir wäre es lieber, wenn du da nicht anrufst. Hast du noch nie den Spruch gehört: Lass los und lass Gott ein ?«
»Doch, aber Wer zuletzt lacht, lacht am besten - sagte der Killer ist mir lieber.«
Mein Bruder küsst verzweifelt das goldene Kruzifix, das er um den Hals trägt. »Kennst du die Geschichte von Jesus? Wie er auch die andere Wange hinhält? Eine Geschichte, die einem sehr viel Kraft geben kann. In der Vergebung liegt die Stärke. Lebe dein Leben, Maddy. Sei erfolgreich. Gründe deine eigene PR-Agentur und werde erfolgreicher, als Carlton sich das jemals hätte träumen lassen. Das ist die beste Rache. Warum lässt du dich von diesem Typen fertigmachen?«
»Du kennst nicht alle Fakten«, sage ich kurz und knapp.
»Du bist meine Schwester, Maddy. Vertrau mir. Du kannst mir glauben, dass ich diesen Kerl auch am liebsten umbringen würde. Ich kann nur erahnen, was er dir angetan hat, denn ich habe noch nie - wirklich noch nie - erlebt, dass es dir so beschissen geht. Es ist, als hätte er dir den Glanz deiner Augen geraubt und alle Güte deines Herzens.«
Einen Moment verschlägt es mir die Sprache.
»Wow«, sage ich dann. »Sehr beeindruckend.«
Mein Bruder neigt gern dazu, in die Sprache seiner Reha-Predigten zu verfallen. Er war schon in so vielen Selbsthilfegruppen, dass ihm dieser Sprachstil zur zweiten Natur geworden ist.
»Komm, Maddy, lass uns beten«, sagt Ronnie. Er bekreuzigt sich. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«, spricht er und küsst sich die Fingerspitzen.
Ich sitze da und schaue ihm zu.
»Nun übertreib mal nicht«, sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. »Ich will ihn ja nicht gleich auf die harte
Tour um die Ecke bringen. Mir schwebt eigentlich eine subtilere Form der Rache vor.«
»Gut. Ich werde für dich beten«, sagt mein Bruder.
»Klasse. Ich bin für jede Hilfe dankbar.«
Ich stehe auf und gehe zu Ronnies Kühlschrank, der mit Magneten übersät ist, auf denen Sachen stehen wie »1A-Gütesiegel« und »Du schaffst das!« und »Dieser Tag liebt dich!«. Bei meinem Bruder ist nicht einmal der Kühlschrank vor Wertschätzung sicher.
»Was hast du denn zu essen da?«, frage ich und mache die Tür auf.
»Nichts, nada , null.«
Im geschätzten Kühlschrank meines Bruders stehen ein Glas Erdnussbutter und eine Tüte Milch. Ich lasse die Tür zufallen und schaue Ronnie an.
»Wie wäre es mit dem International House of
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