Verliebt verlobt Versace Roman
hinter dem Empfangstresen, waren vonnöten, bis Jenny was einigermaßen Vernünftiges aus mir rauskriegte. Natürlich schaffte sie es, der Tatsache, dass man mich für eine Nutte gehalten hatte, von der man in einem öffentlichen Park einen geblasen bekam, was Positives abzugewinnen.
»Einhundert Dollar ist weit mehr als der Durchschnitt, da bin ich mir sicher«, sagte sie und goss heißes Wasser in meinen Tee. Ich war bereits so penetrant gewesen, sie um einen Becher zu bitten, und wollte nun nicht in das britische Stereotyp verfallen und ein Gespräch darüber anfangen, dass »wir ihn nicht mit heißem Wasser aufgießen, sondern einfach mehr Tee kochen«, zumal ich in diesem Moment wohl kaum meiner Rolle als Julia Roberts in Pretty Woman gerecht geworden wäre. »Aber viel wichtiger ist doch, dass Starbucks-Johnny voll auf Sie abgefahren ist! Und da haben Sie gleich bei Ihrem ersten Versuch einen Volltreffer gelandet, Schätzchen!«
»Kennen Sie ihn denn?«, schniefte ich und würgte diese schwache, milchlose Entschuldigung für einen Tee hinunter. »Er war ziemlich süß.«
»Ihn kennen?« Jenny stieß einen Pfiff aus. »Die Hälfte der Mädchen, die hier im Hotel arbeiten, würde alles dafür geben, ihn ein wenig genauer zu kennen. Er ist der Grund dafür, dass wir alle koffeinabhängig sind. Fragen Sie Van, wenn sie das nächste Mal Dienst hat. Wegen dieses Jungen holt sie sich vier Mal am Tag Macchiatos.«
»Es war so verrückt, und ich glaube nicht, dass ich es besonders schlau angestellt habe. Vermutlich habe ich noch nicht mal seine Nummer mitgenommen.«
»Sie haben seine Telefonnummer?«, quietschte sie und verbrühte mich mit unnötig heißem Wasser. »Jesus, Angie! Wozu brauchen Sie mich eigentlich? Sie sind erst den zweiten Tag in der Stadt und picken sich bereits Klasse-A-Typen heraus. Ich glaube nicht, dass irgendeine hier seine Nummer hat.«
Und das tat mir zugegebenermaßen richtig gut. »Das hat sicherlich nur was damit zu tun, dass ich Engländerin bin oder so, er rechnet bestimmt nicht mit meinem Anruf. Und ich werde ihn auch nicht anrufen, oder?«
Jenny sah mich eine Sekunde lang an und setzte sich dann. »Warum denn nicht?«
»Weil ich noch nie jemanden angerufen habe, tatsächlich niemals. Und ich habe ja gerade erst eine Trennung erlebt und muss jetzt nicht gleich wieder damit anfangen, mich zu verabreden.«
»Wissen Sie was? Ein paar Verabredungen wären jetzt genau das Richtige für Sie. Das ist doch eine Art Urlaub, oder? Also lassen Sie uns einen Urlaubsflirt für Sie finden, eine Urlaubsromanze.«
»Ich weiß nicht, ich meine, ist es nicht sehr kompliziert, sich zu verabreden?« Ich zog mein Top über meine Knie. »Ich bin doch bisher nur mit Mark zusammen gewesen. Und weiß gar nicht, wie das Verabreden geht, wie man richtig ausgeht und so.«
»Im Ernst? Überdehnen Sie das nicht«, bat Jenny mich und zog mein Top von den Knien weg wie meine Mum. »Wenn das so ist, meine Liebe, dann müssen wir für Sie auf jeden Fall ein paar Verabredungen treffen. Sie müssen die Erfahrung machen, wie viel Spaß das macht! Ein paar Verabredungen ganz ohne Druck und ganz manierlich. Nur Spaß. Nichts Großes.«
»Sind Sie sich da sicher?« Ich war es jedenfalls nicht.
»Ganz und gar«, sagte sie, erhob sich vom Fußboden und zog mich mit hoch. »Und jetzt gehen Sie nach oben und rufen mich an, wenn Sie wissen, was Sie essen wollen, und lesen das beim Essen.« Sie reichte mir ein Notizbuch, auf dem mein Name in großen Lettern stand, geschmückt mit Glitzersternen und einer großen Postkarte mit der Aufschrift »Ich - Herzchen - New York«.
»Was ist das?«, fragte ich. War ich für Sternsticker nicht etwas zu alt?
»Das ist für Sie zum Hineinschreiben«, erklärte Jenny und öffnete das Notizbuch auf der ersten Seite. »Sie sagten vorhin, Sie wüssten nicht, was Sie für Ambitionen haben, und ich möchte jetzt, dass Sie sich darüber Gedanken machen. Und sorgen Sie dafür, dass Sex haben auch mit aufgenommen wird. Und jetzt ab nach oben, Essen, Ambitionen und dann schlafen.«
Sie scheuchte mich weg und wandte sich einem Hotelgast zu, der mit einem strahlenden Lächeln geduldig am Empfangstresen gewartet hatte. »Wie kann ich Ihnen helfen,
Mr. Roberts?«, hörte ich sie schnurren, während ich in den Lift huschte, die Nase bereits im Notizbuch.
Name: Ganz einfach, Angela Clark.
Alter: Sechsundzwanzig und sechs Monate. Mit Zucken ausgefüllt.
Ambitionen: Als Schriftstellerin
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