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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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war.
      Der Abend zog herauf, die Sonne ging hinter dem Ozean unter und färbte das Wasser blutrot. Tally zog Hemd und Jacke an, ehe sie sich aus dem Schlafsack heraustraute. Es schien von Minute zu Minute kälter zu werden und vor ihren Augen verlosch das Licht. Sie sollte möglichst schnell weiter.
      Das Problem war das Hubbrett. Seine auseinandergeklappte Oberfläche war feucht geworden, bedeckt von einer feinen Schicht aus Gischt und Tau. Tally versuchte sie mit ihrem Jackenärmel abzuwischen, aber es gab zu viel Wasser und zu wenig Ärmel. Das feuchte Brett ließ sich zwar problemlos zusammenklappen, doch als Tally fertig war, kam es ihr zu schwer vor, als sei das Wasser noch immer zwischen den einzelnen Schichten gefangen. Das Funktionslicht des Brettes wurde gelb und Tally sah genauer hin. Aus den Seiten des Brettes tropfte langsam das Wasser heraus. "Gut. Dann hab ich noch Zeit zum Essen."
      Tally zog eine Packung SpagBol aus dem Rucksack, dann fiel ihr ein, dass der Wasserreiniger leer war. Die einzige erreichbare Wasserquelle befand sich unterhalb der Klippen, aber es führte kein Weg nach unten. Sie wrang ihre nasse Jacke aus, was ein paar ordentliche Spritzer erbrachte, dann schob sie das aus dem Brett quellende Wasser in den Reiniger, bis er halbvoll war. Das Ergebnis war eine Portion verklebte, zu stark gewürzte SpagBol, bei der sie heftig kauen musste.
      Als sie ihre wenig ansprechende Mahlzeit hinter sich gebracht hatte, leuchtete das Funktionslicht wieder grün.
      "Okay, auf geht’s", sagte Tally zu sich. Aber wohin? Sie blieb nachdenklich stehen, einen Fuß auf dem Brett und einen auf dem Boden.
      Auf Shays Zettel stand: "Bei der zweiten mache den schlimmsten Versprecher." Ein Versprecher, konnte damit ein Fehler gemeint sein?
      Einen Fehler zu machen dürfte ja nicht so schwer sein. Aber was war der schlimmstmögliche? Sie hatte sich an diesem Tag ja schon fast umgebracht.
      Tally musste wieder an ihren Traum denken. In den Abgrund zu fallen müsste doch als ziemlich übler Fehler durchgehen. Sie stieg auf das Brett, lenkte es zum eingestürzten Ende der Brücke und schaute in die Tiefe, wo der Fluss ins Meer mündete.
      Wenn sie hinunterkletterte, dann gab es nur noch die Möglichkeit, dem Fluss zu folgen. Vielleicht war das gemeint. Aber in den steilen Felsen zeichnete sich keinerlei Pfad ab und man konnte sich nirgendwo festhalten.
      Natürlich würde eine Eisenader im Felsen sie möglicherweise sicher nach unten bringen. Ihre Augen suchten die Wände der Kluft nach dem rötlichen Eisenton ab. Einige Stellen sahen auch vielversprechend aus, aber es war jetzt schon so dunkel, dass sie nicht sicher sein konnte.
      "Klasse." Tally wurde klar, dass sie zu lange geschlafen hatte. Wenn sie auf die Morgendämmerung wartete, würde sie zwölf Stunden verlieren, und sie hatte kein Wasser mehr.
      Die einzige andere Möglichkeit war, dem Fluss hier oben auf den Felsen zu folgen. Aber es konnte Tage dauern, bis sie eine geeignete Abstiegsmöglichkeit fand. Und wie sollte sie die nachts überhaupt erkennen?
      Sie musste Zeit aufholen und nicht irgendwo in der Dunkelheit herum- irren.
      Tally schluckte und fasste einen Entschluss. Es musste eine Möglichkeit
      geben, mit dem Brett nach unten zu gelangen. Vielleicht machte sie hier einen Fehler, aber das verlangte der Zettel ja gerade.
      Sie lenkte das Brett von der Brücke fort, bis es den Metallkontakt verlor. Es rutschte am Felsenrand nach unten und wurde immer schneller, je weiter es sich vom Metall der Schienen entfernte.
      Tallys Augen suchten die Klippen verzweifelt nach irgendeiner Spur von Eisen ab. Sie lenkte das Brett dichter an die Felswand heran, konnte aber nichts sehen. Einige Metalldetektorlampen verloschen. Wenn sie jetzt noch tiefer ging, würde sie abstürzen.
      Das konnte nicht klappen. Tally schnippte mit den Fingern. Das Brett wurde für einen Moment langsamer, versuchte sich zu heben, dann zitterte es und bewegte sich weiter nach unten.
      Zu spät.
      Tally öffnete ihre Jacke, aber die Luft in der Schlucht stand still. Sie entdeckte einen rostig schimmernden Streifen in der Felswand und brachte mit Mühe das Brett näher heran, aber der Streifen entpuppte sich als verschmierte, klebrige Flechte. Das Brett fiel immer schneller nach unten und ein Detektorlicht nach dem anderen verlosch.
      Und dann war das Brett tot.
      Tally wusste, dass dieser Fehler ihr letzter sein würde.
      Sie stürzte wie

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