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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Konsequenzen.
            ***
      Noch ehe Tallys Herz aufgehört hatte wild zu hämmern, fing ihr Magen an zu knurren.
      Sie zog den Wasserreiniger, den sie im letzten Fluss gefüllt hatte, aus dem Rucksack und leerte das Schmutzsieb. Ein esslöffelgroßer Klecks braunen Schlamms fiel heraus. "Uääh", sagte sie und öffnete den Reiniger, um hineinzuschauen. Sein Inhalt sah klar aus und roch wie Wasser.
      Sie trank einen Schluck, den sie dringend nötig hatte, bewahrte aber das restliche Wasser für ihr Abendessen oder ihr Frühstück oder was auch immer auf. Tally hatte vor, vor allem nachts zu fliegen, damit das Hubbrett sich im Sonnenschein aufladen konnte. Auf diese Weise würde sie keine Zeit verschwenden.
      Sie griff in den wasserdichten Rucksack und zog wahllos eine Packung Essen heraus. "SpagBol", stand auf dem Etikett und Tally zuckte mit den Schultern. Der Inhalt sah aus wie ein fingergroßes Garnknäuel und fühlte sich auch so an. Sie ließ es in den Reiniger fallen und der blubberte los, als das Wasser zu kochen begann.
      Als Tally zu dem glühenden Horizont hinüberschaute, machte sie große Augen. Sie hatte außerhalb der Stadt noch nie den Sonnenaufgang gesehen. Wie die meisten Uglies stand sie nur selten früh genug auf und der Horizont war ja außerdem immer hinter den Türmen von New Pretty Town versteckt. Der Anblick eines echten Sonnenaufgangs verblüffte sie.
      Ein orange- und gelbfarbener Streifen ließ den Himmel entflammen, strahlend und unerwartet, so spektakulär wie Feuerwerk, aber sanft fließend in seinem Farbenspiel. So war es hier draußen in der Wildnis, das lernte sie jetzt. Gefährlich oder schön. Oder beides.
      Der Reiniger machte pling . Tally öffnete den Deckel und schaute hinein. Sie sah Nudeln mit einer roten Soße, mit kleinen Kernen aus Sojafleisch. Es duftete köstlich. Sie las noch einmal das Etikett. "SpagBol ... Spaghetti Bolognese!"
      Im Rucksack fand sie eine Gabel und stürzte sich hungrig auf das Essen. Der Sonnenaufgang wärmte sie und sie hörte das wilde Rauschen des Meeres, und das alles machte es zur besten Mahlzeit, die sie seit ewigen Zeiten zu sich genommen hatte.
           ***
      Das Hubbrett war noch nicht ganz leer, deshalb beschloss sie nach dem Frühstück, weiterzufliegen. Sie las noch einmal die ersten Zeilen von Shays Botschaft:
      Über die Lücke spring mit der Acht,
      Bis hin zu einer, die lang ist und flach.
      Kalt ist das Meer, achte auf Brecher.
      Bei der zweiten mache den schlimmsten Versprecher.
            ***
      Wenn die "zweite" eine weitere eingestürzte Brücke bedeutete, dann wollte Tally die noch bei Tageslicht erreichen. Wenn sie die Lücke auch nur den Bruchteil einer Sekunde später entdeckt hätte, dann wäre sie als SpagBol am Fuße der Felsen gelandet. Aber zuerst musste sie auf die andere Seite des Abgrunds gelangen. Der war viel breiter als die Lücke in der Achterbahn, hinüberspringen könnte sie auf keinen Fall. Die einzige Möglichkeit war offenbar, zu Fuß zu gehen. Sie wanderte durch das struppige Gras, ihre Beine waren dankbar, weil sie sich nach der langen Nacht auf dem Brett ausstrecken konnten. Bald schloss die Kluft sich und eine Stunde später war sie auf der anderen Seite oben angekommen.
      Tally flog jetzt viel langsamer, starrte konzentriert nach vorn und wagte nur ab und zu, einen kurzen Blick auf ihre Umgebung zu werfen.
      Zu ihrer Rechten ragten Berge auf, so hoch, dass ihre Gipfel schon jetzt im Frühherbst mit Schnee bedeckt waren. Tally hatte die Stadt immer groß gefunden, eine in sich geschlossene Welt, aber alles hier war um so viel großartiger. Und so schön. Sie konnte verstehen, warum manche Menschen in der Natur leben wollten, auch wenn es keine Partytürme oder Wohnvillen gab. Oder auch nur Schulwohnheime.
      Als sie an zu Hause dachte, wurde Tally aber auch bewusst, wie sehr ihre schmerzenden Muskeln sich jetzt über ein heißes Bad gefreut hätten. Sie stellte sich eine riesige Badewanne vor, wie es sie in New Pretty Town gab, mit Whirlpooldüsen und jeder Menge Massageblasen, die sich darin auflösten. Sie überlegte, ob der Wasserreiniger genug Wasser für eine Wanne kochen könnte, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie eine fand. Wie die Leute in Smoke wohl badeten? Und enthielt der Überlebensrucksack Seife? Und Shampoo? Handtücher gab es jedenfalls nicht. Tally hatte sich noch nie überlegt, wie viel Kram sie bisher immer gebraucht hatte.
      Die zweite

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