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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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zehn, aber es half nichts. Dann ging ihr auf, dass sie auch beim Herumstehen fror.
      Und endlich sprang Tally.
      Das eiskalte Wasser schloss sich wie eine Faust um sie. Es lähmte jeden ihrer Muskeln und verwandelte ihre Hände in zitternde Krallen. Für einen Moment fragte Tally sich, wie sie ans Ufer zurückgelangen sollte. Vielleicht würde sie hier ganz einfach sterben und für immer unter dem eisigen Wasser verschwinden.
      Sie holte tief und zitternd Atem und machte sich klar, dass die Menschen vor den Rusties bestimmt immer in eiskalten Bächen gebadet hatten. Tally biss die Zähne zusammen, um sie am Klappern zu hindern, hielt den Kopf unter Wasser, hob ihn wieder und schleuderte ihre nassen Haare nach hinten.
      Einige Augenblicke später entzündete sich irgendwo in ihrem Bauch ein unerwartetes Feuer, als hätte das Eiswasser eine geheime Energiereserve in ihrem Körper aktiviert. Sie riss die Augen auf und hörte sich einen Freudenschrei ausstoßen. Die Berge, die nach drei Tagen Flug ins Binnenland über ihr aufragten, kamen ihr plötzlich kristallklar vor, ihre schneebedeckten Gipfel fingen die letzten Sonnenstrahlen ein. Tallys Herz klopfte wild, das Blut strömte überraschend warm durch ihren Körper.
      Aber der Energieschub drohte rasch zu verlöschen. Sie riss die Seifenpackung auf, verteilte die Seife zwischen ihren Fingern, auf ihrer Haut, in ihrem Haar. Noch einmal untertauchen, dann war sie fertig.
      Als sie zum Ufer hinüberblickte, sah Tally, dass die Strömung sie von ihrem Lager weggetragen hatte. Sie schwamm einige Züge, dann watete sie auf das felsige Ufer zu. Der Wind jagte Schauer über ihre Haut, doch plötzlich hörte Tally etwas, das ihr Herz erstarren ließ.
      Etwas kam näher. Etwas Großes.

 
 Die Seite, die du verachtest
      

      
      Donner kam vom Himmel, wie ein wütender, schneller Wirbel auf einer Riesentrommel, und drängte sich in ihren Kopf und ihre Brust. Der ganze Horizont schien davon erschüttert zu werden und die Oberfläche des Flusses wogte bei jedem Schlag.
      Tally kauerte sich ins Wasser und zog den Kopf ein, dann war die Maschine auch schon da.
      Sie kam von den Bergen her, flog tief und wirbelte wie staubige Windhosen hinter sich auf. Sie war viel größer als ein Hubwagen und hundertmal lauter. Sie hatte offenbar keine Magnete und hielt sich oben, indem sie mit einer halb unsichtbaren Scheibe,
      die in der Sonne funkelte, die Luft prügelte.
      Als die Maschine den Fluss erreicht hatte, beschrieb sie eine Kurve. Dabei brachte sie das Wasser zum Kochen und sandte Wellenringe aus, als sei ein riesiger Stein über die Oberfläche gesprungen. Tally sah Leute in der Maschine, die auf ihr Lager herunterschauten. Das auseinandergefaltete Hubbrett wurde von dem wirbelnden Wind hin und her geworfen, seine Magnete kämpften verzweifelt, um es am Boden zu halten. Ihr Rucksack verschwand im Staub und sie sah Kleider, Schlafsack und Spag-Bol-Pakete hinter der Maschine herumfliegen.
      Tally ließ sich noch tiefer in das brodelnde Wasser sinken, voller Entsetzen bei dem Gedanken, dass sie hier zurückbleiben würde, nackt und allein und ohne alles. Und sie war doch schon halb erfroren.
      Aber die Maschine neigte sich vor, wie ein Hubbrett, und flog weiter. Sie steuerte das Meer an und verschwand so schnell, wie sie aufgetaucht war, und hinterließ Tally mit pochenden Ohren und einem aufgewühlten Fluss.
      Zitternd stieg Tally an Land. Ihr Körper war eiskalt, sie konnte kaum eine Faust ballen. Sie lief zu ihrem Lager zurück, riss Kleidungsstücke an sich und streifte sie über, ehe die untergehende Sonne sie trocknen konnte. Sie setzte sich hin und schlang sich die Arme um den Leib, bis sie nicht mehr zitterte. Alle paar Sekunden warf sie ängstliche Blicke zum roten Horizont hinüber.
      Der Schaden war geringer, als sie befürchtet hatte. Das Funktionslicht des Hubbrettes war grün und ihr Rucksack verstaubt, aber unversehrt. Nach einer SpagBol-Suche und der Zählung der verbliebenen Packungen wusste Tally, dass sie nur zwei verloren hatte. Ihr Schlafsack allerdings war zerfetzt. Irgendetwas hatte ihn in Stücke gerissen.
      Tally schluckte. Keines der Teile war größer als ein Taschentuch. Was wäre passiert, wenn sie darin gelegen hätte, als die Maschine aufgetaucht war?
      Sie klappte das Hubbrett rasch zusammen und packte ihre Sachen. Das Brett war fast schon startbereit. Immerhin hatte der von der seltsamen Maschine entfachte Sturm

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