Verlobung auf Italienisch
Seite des Tisches saß, versuchte angestrengt, etwas zu verstehen. Evie redete unentwegt und gestikulierte dabei lebhaft. Gelegentlich machte sie eine Pause, um einen Schluck Champagner zu trinken oder den beiden Gelegenheit zum Antworten zu geben.
„Ganz schön clever von Ihnen, sich eine Frau zu suchen, die Russisch spricht“, bemerkte Tabitha. „Haben Sie sich bei einem Ihrer Geschäfte kennengelernt? Ist sie Dolmetscherin?“
Evie sprach Russisch?
Da es immer noch so laut war, dass er kein Wort verstand, verfolgte er die Bewegungen ihrer Lippen. Sie sprach tatsächlich Russisch.
Aufmerksam beobachtete seine Gastgeberin ihn. „Sie wussten es nicht, stimmt’s? Na, wenn sie die beiden zum Bieten bewegen kann, wenn die Wohltätigkeitsauktion beginnt, bin ich zutiefst beeindruckt von ihr.“
Wo hatte Evie Russisch gelernt?
Und warum hatte sie es nicht erwähnt, als er ihr erzählte, dass Wladimir kaum Englisch sprach und sie sich ohne Dolmetscher nicht mit ihm würde verständigen können? Dann er erinnerte er sich an ihre Antwort, dass sie keinen brauchte. Zu dem Zeitpunkt hatte er geglaubt, sie würde sich mit Zeichensprache und Lächeln behelfen.
Als die Auktion anfing, wurde Kaffee serviert, und viele Gäste tauschten die Plätze.
Auch Evie stand auf und setzte sich neben ihn, die Wangen vor Aufregung gerötet. „Ich amüsiere mich prächtig. Die beiden sind so süß! Warum hast du mir nicht erzählt, wie witzig sie sind?“
Unwillkürlich verstärkte Rio den Griff um sein Glas. „Du hast mir auch nicht gesagt, dass du fließend Russisch sprichst.“
„Du warst so überheblich, und ich wollte mir einen Spaß daraus machen, dich zu überraschen. Ich dachte, vielleicht ist es dir eine Lehre, weil du dazu neigst, die Leute zu unterschätzen.“ Sie reckte den Hals und blickte in Richtung Bühne und Tanzfläche. „Was passiert jetzt?“
Er spielte mit seinem Glas. „Ich unterschätze die Leute nicht.“
„Doch, das tust du. Aber du kannst wahrscheinlich nicht anders“, meinte sie. „Wird gleich getanzt?“
„Erst findet die Auktion statt.“ Forschend betrachtete er sie. „Sprichst du noch mehr Sprachen?“
„Französisch, Spanisch und Mandarin. Darf ich auch mitbieten?“
„ Vier Sprachen?“
„Fünf, wenn du Englisch mitzählst. Wie hoch darf ich gehen?“
„Du kannst kein Italienisch?“
„Nein.“ Evie nahm sich ein Stück Schokolade vom Teller. „Die CD war in der Bücherei immer ausgeliehen.“
Ungläubig sah er sie an. „Du hast dir all diese Sprachen selbst beigebracht?“
„Ich habe eine gewisse Begabung dafür. Ich habe mir die Grundkenntnisse angeeignet. Auf der Schule hatte ich eine Lehrerin, die mir geholfen hat, und außerdem hatte ich einen Freund, der Russisch und Mandarin sprach.“ Sie schaute zur anderen Seite des Raums. „Sieh nicht hin. Neben der Bühne steht ein großer Tannenbaum. Am besten schließt du die Augen, sonst bekommst du womöglich einen Nervenzusammenbruch. Komisch, dass du nicht vorher angerufen und die Leute gebeten hast, ihn zu entfernen.“
Rio, der noch immer die Tatsache verarbeiten musste, dass Evie fünf Sprachen sprach, folgte ihrem Blick und bemerkte den Tannenbaum. Dieser war tatsächlich riesig – ein Symbol für seine schrecklichen Kindheitserlebnisse.
Plötzlich hörte er das Blut in seinen Ohren rauschen, und die Stimmen um ihn herum schienen zu verstummen. Statt glitzernder Christbaumkugeln sah er ein großes schwarzes Loch vor sich. Vor seinem geistigen Auge entstanden Bilder, die er am liebsten verdrängt hätte, wie ein schreckliches Kaleidoskop. Jener furchtbare Morgen. Die Entdeckung, die er gemacht hatte. Der Schock. Und die Leere.
Schlagartig war es so, als ob jedes Funkeln im Raum die dunklen Gefühle, die ihn überkamen, verstärkte. Jeder silberne Stern und jeder Rauschgoldengel schien ihn zu verspotten.
Rio schwor sich, gleich nach der Auktion zu gehen. Regungslos saß er da, während er sich zusammenzureißen versuchte.
Durch den Nebel unerwünschter Erinnerungen nahm er Evie wahr, die sich über den Tisch beugte und die beiden Russen zum Spenden anregte. Offenbar imponierte sie selbst Tabitha, wie sie so mühelos zwischen Russisch und Englisch hin- und herwechselte und den Männern enorme Summen entlockte.
Unter anderen Umständen hätte Rio sich darüber amüsiert. Nun hielt ihn hier nichts mehr. Man hatte sie zusammen gesehen. Fotografen hatten den Ring abgelichtet. Die Gerüchteküche brodelte.
Sie
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