Verlockend untot
versessen darauf waren, für ihre Herren zu kämpfen.«
»Sie waren keine Sklaven im amerikanischen Sinn. Die Janitscharen gehörten zur Elite der osmanischen Gesellschaft; selbst freie Männer respektierten und fürchteten sie. Sie kannten nichts anderes als das Militär – es war ihr Lebensinhalt. Zu jener Zeit heirateten sie nicht einmal, aus Sorge, das würde sie von ihrer Arbeit ablenken. Sie widmeten sich ganz der Kriegführung. Und gegen solche Soldaten wollte Hunyadi mit einer armseligen Streitmacht unter der Führung eines unerfahrenen Königs in den Kampf ziehen!«
»Wusste er das nicht?«
»Natürlich wusste er es. Aber er war ein aufgeblasener, eingebildeter, arroganter Narr, und obendrein ein Fanatiker, ein Zelot.
Ein Kardinal namens Cessarini begleitete das Heer, ein päpstlicher Beauftragter, der für Gottes Präsenz auf dem Schlachtfeld sorgen sollte.« Mirceas Lippen zuckten erneut, aber diesmal deuteten sie kein Lächeln an. »Wenn Gott tatsächlich da war, dann stand er auf der anderen Seite.«
»Sie verloren?«
»Wir verloren. Genauer gesagt: Wir wurden ausgelöscht.« Die Hand an meinem Arm bewegte sich nicht mehr.
»Wir? Warst du dabei?«
»Ja. Ich hatte den Befehl über viertausend Reiter aus der Walachei.«
»Aber wenn dein Vater wusste, dass es eine verlorene Sache war…«
Mircea seufzte. »Genau darauf habe ich hingewiesen. Aber mein Vater befand sich in einer schwierigen Lage. Er verdankte seine Herrschaft König Sigismund, seinem alten Mentor, mit dessen Heer er den Thron erobert hatte. Sigismund war damals schon tot, aber Wladislaw hatte seine Nachfolge angetreten und erinnerte meinen Vater an die alte Verpflichtung. Hinzu kam, dass mein Vater dem Orden des Drachen angehörte, einer katholischen Militärorganisation, mit dem erklärten Ziel gegründet, die türkische Gefahr zu bekämpfen.«
»Es war also eine religiöse Angelegenheit?«
»Nein, eine politische. Meine Mutter war die Fromme in der Familie; mein Vater glaubte in erster Linie an einen starken Arm und ein gutes Schwert, und er brauchte eins. Es gab viele Leute, die es auf den Thron abgesehen hatten und bereit gewesen wären, das mit meinem Vater zu machen, was er mit dem von ihm entthronten Cousin gemacht hatte. Wenn er den katholischen Oberhäuptern der Nachbarstaaten Anlass gegeben hätte, ihm zu misstrauen, hätte einer seiner Rivalen von ihnen vielleicht ein Heer bekommen, um den Thron zu erobern, so wie mein Vater von Sigismund.«
»Warum führte er die Streitmacht dann nicht selbst an? Warum schickte er dich?«
»Er hätte sich selbst auf den Weg gemacht, wenn da nicht der Vertrag mit den Türken gewesen wäre, der es ihm verbot.«
»Aber… Ich dachte, sie waren der Feind.«
»Ja, das waren sie. Doch sie hatten auch ein Heer, das viel größer war als seine kleine Streitmacht. Wenn es zu einer Invasion gekommen wäre, hätten wir tapfer Widerstand geleistet, aber verloren.
Nach Überfällen der Türken geschah es oft, dass wir die Bewohner ganzer Dörfer ans Kreuz genagelt oder gepfählt vorfanden. Manchmal hinterließen die Angreifer auch Pyramiden aus den gebleichten Schädeln der Toten.«
»Warum? Weshalb beschränkten sie sich nicht darauf, zu plündern und dann wieder abzuziehen?«
»Weil sie Ablösegeld wollten, und sie sorgten dafür, dass meinem Vater keine Wahl blieb. Letztendlich musste er einen Vertrag unterschreiben, den Türken zehntausend Golddukaten pro Jahr zahlen und versichern, niemals die Hand zum Kampf gegen sie zu erheben.
Und um diese Vereinbarung zu besiegeln, musste er den Osmanen zwei seiner Söhne als Geiseln überlassen.«
»So endete dein Bruder in einem türkischen Verlies.« Ich hatte gewusst, dass Vlad – der Welt besser unter dem Namen Dracula bekannt – in einem türkischen Gefängnis den Verstand verloren hatte.
Aber mir waren keine Einzelheiten darüber bekannt gewesen, wie es ihn dorthin verschlagen hatte.
Mircea nickte. »Im Zeichen der weißen Fahne machte sich mein Vater auf den Weg zu den Verhandlungen, und er nahm meine beiden jüngeren Brüder mit. Sie hätten sicher sein sollen, wurden aber unmittelbar nach der Ankunft ergriffen und in Ketten gelegt. Die Osmanen brachten Vlad und Radu fort, bevor sie meinem Vater den Vertrag zur Unterschrift vorlegten. Er wusste, dass ihr Leben ver-wirkt gewesen wäre, wenn er nicht unterschrieben hätte.«
»Und deshalb unterzeichnete er den Vertrag.«
»Ja, und dadurch geriet er in eine sehr schwierige Lage, als
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