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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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nicht, und nicht einmal Rafe. Es war ihrem Verhalten zu entnehmen gewesen, aber gesagt hatten sie es nie. Niemand.
    Mircea zog mich erneut an sich, und ich legte den Kopf an seine Brust. Er schwieg eine Zeit lang. »Seit damals habe ich Schwierigkeiten mit dieser Zeit des Jahres.«
    »Vielleicht brauchst du eine gute Erinnerung, um die schlechten zu ersetzen.«
    Seine Lippen deuteten ein Lächeln an. »Und wo könnte ich eine solche Erinnerung finden?«
    Ich schmiegte mich an ihn. »Da fällt uns bestimmt etwas ein.«

Neununddreißig
    »Du hast das Ding mitgebracht?« fragte ich am nächsten Morgen und setzte mich im Bett auf. Mein Blick galt einem ziemlich mitgenommen wirkenden alten Koffer, der an einer Stelle verbrannt aussah und am Fußende des Bettes schwebte.
    »Ich konnte ihn wohl kaum zurücklassen, Dulceata«, erwiderte Mircea und schenkte an einem kleinen Tisch beim Fenster Kaffee ein. »Der Zauber funktioniert noch.«
    »In gewisser Weise.« Der Koffer hing halb herunter, wie verwelkende Blumen oder ein Ballon, aus dem die Luft entwich. Ich stieß ihn mit dem Finger an, und er wackelte ein wenig und verströmte einen unangenehmen Geruch. Ich rümpfte die Nase, wickelte das Laken um mich und sah nach, was es zum Frühstück gab.
    Matter Sonnenschein filterte durchs Glas, glänzte auf weißem Porzellan und reinem Silber, und von einem Drahtkorb kam ein appetitanregender Duft. Frisches Teegebäck. Lecker, lecker.
    Mircea reichte mir eine Tasse Kaffee. »Außerdem dachte ich, dass du ihn behalten möchtest. Immerhin gehörte er deiner Mutter.«
    »Meinst du den Koffer?«
    Er nickte.
    Ich schüttelte den Kopf, den Mund voller Teegebäck. »Er gehörte dem Magier.«
    Mircea hob eine dunkle Braue. »Das bezweifle ich. Es sei denn, er benutzte ihr Parfüm.«
    Ich schluckte und zog den Koffer näher. Ich roch nur verbranntes Leder und Rauch, vertraute aber Mirceas Nase. Und tatsächlich, im Innern fand ich Damenunterwäsche und andere Frauendinge. Hinzu kamen ein Paar Schuhe, eine Nummer zu groß für mich, und in einer Seitentasche ein Bündel alter Briefe.
    »Aber… wie kann sie Zeit fürs Packen gehabt haben?«, fragte ich und ging die Briefe durch. »Sie kann doch nicht gewusst haben, dass sie entfuhrt wurde!«
    »Wenn es das war, was sie sah.«
    Ich hob den Kopf. »Wie meinst du das?«
    »Dulceata, ich habe viele Leute gesehen, die unter Zwang agierten, und sie bewegten sich ausnahmslos wie Marionetten. Man hörte es auch ihren Stimmen an. Entführte treffen keine eigenen Entscheidungen; sie warten auf Befehle. Sie sagen ihren Kidnappern nicht, dass sie still sein sollen.«
    »Soll das heißen… Du glaubst, sie ist freiwillig mit ihm gegangen?«
    »Das scheint mir die einzige Antwort zu sein.«
    »Aber warum? Wie kann sie überhaupt jemanden wie ihn gekannt haben? Sie war die Erbin der Pythia!«
    »Vielleicht erklären es die Briefe.«
    Ich schüttelte den Kopf und öffnete einen nach dem anderen.
    »Nein. Diese Briefe stammen alle von meinem Vater. Er scheint ihr eine Weile geschrieben zu haben, und sie hat die Briefe aufbewahrt …« Ich runzelte die Stirn. »Aber auch das ergibt keinen Sinn. Von Jonas weiß ich, dass sich meine Eltern kaum eine Woche kannten, bevor sie sich zusammen aus dem Staub machten. Und diese Briefe hier…« Ich sah mir einige weitere an. »Sie reichen mehr als ein Jahrzehnt zurück.«
    Mircea zögerte. Unter anderen Umständen hätte ich es vielleicht nicht bemerkt, aber mein Blick ruhte auf ihm. Er setzte zu einer Antwort an, überlegte es sich dann aber anders und schwieg.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Ich könnte mich irren«, sagte er vorsichtig. »Es ist viele Jahre her, und damals hatte ich keinen Grund, besonders darauf zu achten …«
    »Worauf?«
    »Auf den individuellen Geruch deines Vaters.«
    Die Falten gruben sich tiefer in meine Stirn. »Was hat das mit…«
    »Bei der Party ist es mir nicht aufgefallen. Die Situation war zu angespannt, und es gab zu viele Gerüche in der Nähe. Aber als ich gestern Abend neben dem Magier stand, da glaubte ich, den Geruch wiederzuerkennen.«
    »Nein.« Ich sah ihn entsetzt an.
    »Derselbe Tabak, dasselbe Rasierwasser, dieselbe Haarpomade …«
    »Nein!«
    Die verdammte Braue ging erneut nach oben. Allmählich hasste ich das verdammte Ding. »Wäre es dir lieber, von einem gefährlichen dunklen Magier gezeugt worden zu sein?«
    »Ja! Wenn er die Alternative ist. Er war…«
    »Ziemlich geschickt.«
    Ich starrte Mircea an.

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