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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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beanspruchten den größten Teil seiner Zeit.
    Ich lehnte den Kopf an seine Schulter; es war immer wieder eine Überraschung, wie gut sich das anfühlte.
    »Mein Vater war außer sich vor Zorn auf Hunyadi«, sagte er schließlich und blies süßlich duftenden Rauch von sich, der geisterhaft blass vor dem dunklen Hintergrund aufstieg. »Er hatte ihn gewarnt, ihn fast angefleht, nicht gegen die Türken zu ziehen, und jetzt waren fünfzehntausend gute Männer tot und seine Söhne in großer Gefahr, ohne dass irgendetwas gewonnen war. Der Kreuzzug hatte den Osmanen nur unsere Schwäche gezeigt, und mein Vater kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie diese Schwäche ausnutzen würden.«
    »Was tat er?«
    In einer fließenden Bewegung hob und senkte Mircea die Schultern. »Was er hätte tun sollen. Er nahm Hunyadi gefangen, als er durch die Walachei kam, und wollte ihn für seine Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. Aber Hunyadi hatte einflussreiche Freunde, die meinen Vater unter Druck setzten und ihn aufforderten, ihn freizulassen.«
    »Und gab er dem Druck nach?«
    Mircea schwieg einen Moment, doch seine Arme schlossen sich etwas fester um mich. »Damals nannte man mich Mircea der Kühne«, sagte er leise. »Wegen meines Verhaltens im Kampf. Aber bei jener Gelegenheit war ich zu kühn. Ich handelte unüberlegte, weil ich voller Zorn und Kummer war und weil ich noch an den Wunden litt, die ich der Katastrophe von einem Kreuzzug verdankte.
    Ganz offen berichtete ich von Hunyadis Arroganz und wies darauf hin, dass ihn Ego und Ehrgeiz dazu treiben würden, einen Sündenbock für sein Versagen zu finden. Gegen den toten König konnte er ebenso wenig Vorwürfe erheben wie gegen den heiligen Kardinal, und so blieben nur wir übrig. Ich drängte meinen Vater, ihn zu töten und warnte ihn: Wenn nicht sein Kopf auf dem Hackklotz endete, dann unserer.«
    »Und hat er auf dich gehört?«
    »Nein. Aber jemand anders hörte mir zu. Ich weiß nicht, wer Hunyadi von meinen Worten berichtete, aber irgendwie erreichten sie seine Ohren. Und nach seiner Freilassung schwor er, genau das zu tun, was ich gesagt hatte – er wollte uns alle töten. Zu diesem Zweck stellte er eine Streitmacht zusammen und griff uns, seine früheren Verbündeten, kaum drei Jahre später an. Meine Familie musste fliehen, was jedoch nichts nützte. Von ihm bezahlte Bojaren — walachische Adlige – machten Jagd auf uns. Etwa um diese Zeit des Jahres erwischten sie uns.«
    Es erschien mir ein wenig unpassend, warm und sicher auf dem Balkon zu stehen, Weihnachtslieder zu hören, die kalte Luft zu atmen und den würzigen Geruch von Mirceas kleiner Zigarette wahrzunehmen, und dabei an die Schrecken von damals zu denken.
    »Haben sie … alle umgebracht?«
    »Alle, die sie finden konnten. Sie schnitten meiner Mutter die Kehle durch, folterten meinen Vater und begruben mich bei lebendigem Leib. Eine Ironie des Schicksals wollte, dass meine Brüder am Leben blieben, weil sie sich in türkischer Gefangenschaft befanden.
    In Edirne waren sie viel sicherer als daheim in ihren Betten.«
    Ich drehte mich halb um und sah ihn an. »Warum erzählst du das alles?«
    Kalte Hände glitten unter die Daunendecke, strichen mir über die Haut und ließen mich frösteln. »Damit du verstehst. Einst habe ich den Tod meiner ganzen Familie verursacht…«
    »Nein, hast du nicht!«
    »Pscht.« Seine Hände legten sich mir um die Hüfte, sanken dann und verharrten an ihrer Lieblingsstelle, an meinem nackten Hintern.
    »Ich hatte fünfhundert Jahre Zeit, mit meiner Schuld zurechtzukommen. Ich war jung, hitzköpfig und dumm, und vielleicht hätte Hunyadi ohnehin angegriffen, auch ohne die Worte, die ich damals an meinen Vater richtete. Ich werde es nie erfahren. Jedenfalls habe ich daraus eine wichtige Lehre gezogen, und sie lautet: Nie wieder werde ich das Leben von Personen riskieren, die ich liebe.«
    Ich sah zu ihm hoch und bemerkte Schneeflocken auf seinem dunklen Haar, auch auf seinen Brauen und den Wimpern. »Du liebst mich?«
    Für einen Moment sah er mich einfach nur an. Dann neigte er den Kopf nach hinten und lachte. Es klang samtig und weich, offen und ungeniert. »Nein, ganz und gar nicht. Es macht mir Spaß, für Frauen, die ich verabscheue, gegen Götter zu kämpfen!«
    Ich stand da, und auf meinen Wangen schmolzen Schneeflocken wie Tränen.
    »Was ist?«, fragte Mircea nach zwei oder drei Sekunden.
    »Ich … nichts.« Nie zuvor hatte mir jemand so etwas gesagt. Eugenie

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