Verlockend untot
sie langsamer vergehen lassen. Eine Verlangsamung der Zeit war durchaus möglich, aber wenn sie selbst nicht davon betroffen war, blieben ihre Verfolger ebenfalls immun.
Irgendwann musste ihr der Sprit ausgehen, und dann war sie erledigt.
Ich wusste nicht, warum ihr die Spartoi nach dem Leben trachteten oder welche Rolle der Kidnapper bei dieser ganzen Sache spielte, aber dafür wusste ich etwas anderes. Ich wusste, wie meine Mutter den Zauber zu brechen gedachte.
Sie und ich, wir machten von unseren jeweiligen Fähigkeiten Gebrauch und sprangen. Die Kraft dafür bezogen wir aus derselben Quelle, aus dem riesigen Energievorrat, den Apollo für die Pythien zurückgelassen hatte. Das brachte unsere Magie auf dieselbe Wellenlänge, wenn man es so nennen konnte, und versetzte mich in die Lage, ihr zu folgen. Meine Magie »fühlte« es, wenn sie ihre benutzte, und konnte ihr zur Quelle folgen.
Mit dieser Verbindung wollten wir den Zauber der Spartoi verwirren. Ich folgte meiner Mutter bei ihren Sprüngen, blieb so dicht bei ihr, dass unsere Magie miteinander verschmolz und sich überlappte, damit der Huckepack-Zauber den Durchblick verlor und sich auf uns beide heftete. Wenn das geschah, wollten wir in unterschiedliche Richtungen springen und unsere Magie voneinander trennen, in der Hoffnung, dass es den Zauber der Spartoi zerriss.
Wenn wir es richtig hinbekamen, mitten in einem Sprung…
Dann gerieten die Halbgötter vielleicht in eine ähnliche Situation wie ich vor einigen Tagen und wurden in alle Winde der Zeit verstreut, ohne die Möglichkeit, dass ihre Einzelteile irgendwo und irgendwann wieder zueinanderfanden. Es war kein Tod, denn diese Wesen konnten nicht getötet werden. Aber es kam dem Tod sehr nahe, und das genügte mir.
Ich hoffte nur, dass es nicht auch mich erwischte.
Es war sehr, sehr anstrengend. Richtig anstrengend. Die Sprünge folgten so dicht aufeinander, dass sie kaum mehr voneinander zu trennen waren und einem langen, kontinuierlichen Abgleiten in die Vergangenheit gleichkamen. Es kostete mich all meine Kraft, nicht den Anschluss zu verlieren.
Dass die Irren hinter uns selbst während eines Sprungs schossen, machte es nicht gerade einfacher. Sie schienen damit kaum etwas zu erreichen, denn die meisten Zauber und Kugeln verschwanden in der seltsam flüssigen Zeit, durch die wir schwammen, ohne etwas zu treffen. Die meisten, aber nicht alle.
Gelegentlich hatten wir für den Bruchteil einer Sekunde zu lange feste Gestalt, und dann kam etwas von dem Trommelfeuer durch.
Der größte Teil davon traf den Schild des Magiers, denn er und Mircea befanden sich hinter uns. Aber er konnte uns nicht vollkommen abschirmen, und deshalb gerieten Mama und ich mehr als nur einmal in die Schusslinie.
Ich fühlte einige Kugeln dicht an mir vorbeifliegen; eine zertrümmerte irgendwo ein Fenster und jagte vermutlich einigen Passagieren einen gehörigen Schrecken ein. Eine andere musste genau in dem Augenblick abgefeuert worden sein, als wir sprangen, denn sie verharrte neben meinem Kopf, als sich die Zeit reckte und streckte, und verwandelte sich in Rauch. Umso besser.
Erschöpfung machte sich in mir breit, und ich achtete auf nichts mehr, nur noch darauf, nicht umzufallen. Meine Hände zitterten, Schweiß strömte mir übers Gesicht, und ich hörte nur noch das Hämmern meines Herzens. Dass ich weiterhin sprang, verdankte ich Mirceas Hand auf meinem Arm und dem in mir brodelnden Zorn.
Verdammt, ich sollte bei so etwas gut sein! Es war die eine, die einzige Sache, die mir bei diesem verrückten Job leichtfiel. Und doch keuchte und schwitzte ich und fiel durch die Zeit, was überhaupt nicht mit dem eleganten, mühelosen Dahingleiten meiner Mutter zu vergleichen war. Ruhig und gelassen schritt sie durch die Zeit, als sei dies nichts anderes als ein gemütlicher Nachmittagsspaziergang im Park.
Das ist eine Pythia,
dachte ich und beobachtete meine Mutter voller Ehrfurcht, Stolz und auch mit einer gehörigen Portion Ungläubigkeit. Agnes hatte die Fähigkeiten meiner Mutter in den höchsten Tönen gelobt, aber ich verstand erst jetzt die wahre Bedeutung jener Worte, als ich beobachtete, wie leicht bei ihr alles aussah. So einfach wie das Atmen, danach sah es bei ihr aus. Über die Zeit zu gebieten, nicht von ihr hin und her geworfen zu werden, nicht zu taumeln und zu stolpern und zu fallen, als die Konturen des Raums um uns herum verschwammen…
Eine glatte weiße Hand legte sich um mein Gesicht und fühlte
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