Verlockende Angst
« , murmelte ich. » Ich weiß, ich hab’s wieder vermasselt und… «
» Ich bin nicht hier, um dich zu beschimpfen, Alex. Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht. «
» Oh. Tut mir leid. Ich bin eben nur daran gewöhnt, dass mich alle anschreien. «
Er neigte den Kopf und seine Augen wirkten dunkelgrau. » Ich kann dein Verhalten nachvollziehen. Ehrlich gesagt hätte ich nichts anderes von dir erwartet. «
» Echt? « Zweifelnd sah ich mich um. » Stehst du unter Drogen? «
Aiden lächelte, aber dann huschte sein Blick zu meinem Kiefer, und das Lächeln verschwand. » Tut es weh? «
» Nein « , log ich.
Er schien zu wissen, dass ich nicht die Wahrheit sagte. Ehe ich mich versah, streckte er die Hand aus und strich mit den Fingern am Rand der Prellung entlang. » Es schwillt an. Hast du mit Eis gekühlt? «
Das hatte ich sogar, aber dann war es mir langweilig geworden, den Beutel mit Eis festzuhalten, das Seth irgendwo zusammengesucht hatte. Doch als ich Aiden ansah, vergaß ich seine Frage. Seine Finger lagen immer noch auf meiner Wange und nur darauf kam es überhaupt an.
» Du zeigst immer noch so viel Stärke. « Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Dann ließ er die Hand sinken und die berauschende Verbindung zwischen uns wurde unterbrochen. » Kein anderes Halbblut hätte so gehandelt wie du. «
» Ich weiß nicht, warum du das dauernd sagst. « Ich lehnte mich an die glatte Wand, als könne sie mich irgendwie erden und in die Realität zurückholen.
» Es ist die Wahrheit, Alex. Und ich rede nicht einmal davon, was du für das Halbblut-Mädchen getan hast. Es geht darum, was du in dem Raum dort drinnen getan hast. Ich weiß verdammt genau, was dich die Entschuldigung gekostet hat. Dazu war viel Stärke nötig. «
» Stärke spielte da eher keine Rolle. Eigentlich war ich halb tot vor Angst. Vielleicht ein wenig von der Rolle, verstehst du? «
Aidens Blick wandte sich in Richtung des Labyrinths. Von hier aus erkannte ich nur die Spitzen der rankenüberwachsenen Statuen. » Ich habe mich geirrt. «
Mir stockte der Atem. » In welcher Hinsicht? «
Als er sich wieder zu mir umwandte, wirkten seine Augen silbrig. » In vielem. Vor allem habe ich deine Unberechenbarkeit immer für Schwäche gehalten. Das stimmt nicht. Gerade sie macht dich so stark. «
Ich starrte ihn an und das Herz in meiner Brust spielte verrückt. » D…danke. «
» Dank mir… «
» Ich weiß. « Ich lächelte, obwohl mir dabei der Kiefer wehtat. » Ich soll dir nicht dafür danken, aber ich habe es gerade getan. «
Aiden nickte. » Ich muss wieder hinein. Geh nicht zu weit weg! Versprochen? «
Ich nickte und beobachtete, wie er auf die Glastüren zuging und stehen blieb. Als er sich umdrehte, war seine Miene undeutbar, aber seine Worte waren deutlich zu verstehen.
» Seth hätte den Meister vielleicht doch töten sollen, nachdem er dich angerührt hat. «
Am Abend, an dem der Ball stattfinden sollte, wurde das Abendessen früh serviert, und das aufgeregte Herumwieseln der Dienstboten trieb mich nach oben in mein Zimmer. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und mir ging alles im Kopf herum: meine bevorstehende Anhörung beim Rat, meine Begegnung mit der Faust eines Meisters, Seths irrwitzige, tödliche Akasha-Energie und Aidens Abschiedsworte.
Seth hätte den Meister vielleicht doch töten sollen, nachdem er dich angerührt hat.
Auch zwei Tage danach konnte ich sie nicht vergessen.
Er hatte seinen Satz ernst gemeint, aber was konnte er bedeuten? Kam es darauf an? Nein, beantwortete ich meine eigene Frage. Selbst wenn Aiden mich genauso liebte wie ich ihn, kam es nicht darauf an. Für uns gab es keine Zukunft, nur Tod und Verzweiflung.
Ein leises Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Da Seth niemals klopfte, konnte er es nicht sein. Ich schoss vom Bett hoch und lief zur Tür.
Laadan stand im Flur. Sie trug ein wunderschönes tiefgrünes Kleid, dessen weicher, zarter Stoff sich eng um ihre Hüften schmiegte und dann weit ausgestellt um sie herumwogte. Ihr Haar war zu einer komplizierten Frisur aufgesteckt und mit mehreren frischen Rosenblüten geschmückt.
Ich betrachtete meine Jogginghose und mein Shirt. Götter, ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nicht langweiliger und hässlicher gefühlt! Und ich hatte gedacht, Lea sei die Einzige, die mir dieses Gefühl vermitteln konnte.
Laadan lächelte schwach. » Falls du nicht beschäftigt bist, möchte ich dir etwas
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