Verlockende Angst
bis ich spürte, dass seine Handknochen knackten. Vor Schmerz presste er die Lippen zusammen, was mich mit einer verqueren Befriedigung erfüllte. » Oh, ich bin nicht nur ein Halbblut! «
» Ich weiß, was du bist. « Er riss seine Hand los und verzog angeekelt die Lippen. » Glaubst du, das wird dich retten? Wenn überhaupt, dann wirst du eines Tages unter der Herrschaft der Meister stehen… oder Schlimmeres. «
Seine Worte hätten mir Angst einjagen sollen, aber sie verärgerten mich nur. » Mach dich vom Acker, du rasierte Missgeburt! «
Der Meister lachte und wandte sich wieder dem Mädchen zu, das keinen Ton von sich gegeben hatte, aber dann fuhr er so schnell zurück, dass ich keine Chance hatte, die Hände zu meiner Verteidigung zu heben. Der Faustschlag, der der Dienerin zugedacht gewesen war, krachte geradewegs gegen mein Kinn.
Ein heftiger Schmerz breitete sich explosionsartig über mein Gesicht aus und ich taumelte rückwärts gegen die Wand. Sofort schossen mir die Tränen in die Augen. Der schneidende Schmerz durchfuhr mich in Wellen und machte mich schwindelig. Ich hielt mir den Kiefer und war fast sicher, dass er gebrochen war. Und dann ragte Seth vor mir auf wie ein tobendes Inferno. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, woher er gekommen oder wie er so schnell hierher gelangt war.
» Das war Ihre letzte Handlung in diesem Leben « , knurrte Seth. Er holte mit der Hand aus. Nicht, um das Reinblut zu schlagen, sondern um es zu töten.
Im Training hatte ich oft gesehen, wie Akasha sich in seiner Hand aufbaute, aber immer nur als kleine Energiekugel. Als er Kain ausgeschaltet hatte, da hatte Aiden mein Blickfeld größtenteils blockiert, aber jetzt sah ich nichts anderes. Die blaue Energie schoss irgendwo unter Seths Hemdärmel hervor und erfüllte seine Hand mit knisterndem, knackendem blauem Feuer.
Mein Schmerz war vergessen. Ich stieß mich von der Wand ab und packte Seths anderen Arm. » Nein! Nein! «
» Bleib zurück, Alex! Aus dem Weg! «
Ich stellte mich vor ihn und schirmte den Meister ab. Die Apollyon-Zeichen hoben sich dunkel von Seths blassem Gesicht ab. » Das darfst du nicht, Seth! Beruhige dich! «
» Tu es! « , forderte der Meister Seth auf. » Besiegle dein Schicksal, Apollyon! Genauso, wie das Los deiner Schlampe besiegelt ist. «
Seths Augen glühten, und er fletschte die Zähne. Das Akasha wurde größer und sprühte Flammen.
» Achte nicht auf ihn! « Ich ballte die Fäuste vor seiner Brust. » Bitte! Das kannst du nicht tun! « Er hörte nicht auf mich, sondern holte mit dem Arm aus. Bereit, das mächtigste der Menschheit bekannte Element loszulassen. Ich fuhr herum. » Raus hier! Sofort! «
Die Dienerin stürzte davon, aber der Meister blieb und forderte Seth mit seinem Grinsen heraus, als besäße er keinen Selbsterhaltungstrieb. Und dann verstand ich– er wollte, dass Seth ihn angriff. Er wusste, dass ein Halbblut dem Tod geweiht war, wenn es ein Reinblut tötete. Ganz gleich, in welcher Situation.
Wahrscheinlich galt das sogar für den Apollyon.
Mit zitternden Händen wandte ich mich wieder zu Seth um. Ich presste mich an seine Brust, als könne ich in ihn hineinkriechen und ihm damit begreiflich machen, dass nicht die Todesstrafe darauf stand, mich zu schlagen. Ich konnte die Angst in meiner Kehle geradezu schmecken. Die Panik stellte sogar den körperlichen Schmerz in den Schatten.
Seth erschauerte und legte die Arme um mich. Vor Erleichterung hätte ich beinahe aufgeschrien. Ringsum erhob sich das grausame Gelächter des Meisters und schien noch lange in der Luft zu hängen, nachdem er den Flur bereits verlassen hatte.
Immer noch wütend starrte Seth auf mich herab. » Ich bringe ihn um. «
» Ich weiß « , flüsterte ich und blinzelte die Tränen weg.
» Nein, das verstehst du nicht. Ich will es immer noch. «
» Aber du darfst es nicht tun. Es war meine Schuld. Er wollte eine Dienerin schlagen und ich habe ihn daran gehindert. Er… «
» Deine Schuld? « , fragte er und seine Augen weiteten sich ungläubig. Er streckte die Hand aus, umfasste mein Kinn und drehte meinen Kopf zur Seite. » Nein. Es war nicht deine Schuld. «
Ich schluckte und schloss die Augen. Die Krise war abgewendet… einstweilen. » Gibt es einen Bluterguss? «
» Ganz bestimmt. «
» Ich glaube… ich bekomme Ärger. « Ich trat zurück und blickte zu Boden. Dieser Seth– dieser harte und tödlich gefährliche Seth– machte mir Angst. » Du wirst auch Ärger bekommen.
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