Verlockende Versuchung
einen scharfsinnigen Beobachter der menschlichen Natur hält. Aber während ihr beide durch die Terrassentür hereinspaziert seid, traf mich ein seltsamer Gedanke. Als ich Devon heute Abend an deinem Arm sah, hätte ich schwören können, dass ihr ... «
»Es war nur ein Spaziergang im Garten«, unterbrach ihn Sebastian kühl.
»Eine wundervolle Nacht für einen Spaziergang.«
»Genau«, stimmte ihm Sebastian kurz angebunden zu. »Und ich weiß, worauf du hinauswillst, also lass uns die Angelegenheit vergessen. Ja, ich verspüre eine gewisse Zuneigung für Devon. Wie auch du. Mein Verhalten ihr gegenüber war allerdings immer das eines Gentleman s .« Warum er dieses Wort derart betonte, konnte Sebastian nur erahnen.
»Ich hatte auch nichts anderes erwartet«, meinte Justin erleichtert. »Außerdem bist du ein Marquess. Und Devon ist ... «
Sebastian wollte nicht, dass sein Bruder den Satz vervollständigte. »Es ist mir völlig klar, wer sie ist«, schnitt er ihm heftig das Wort ab.
Justin furchte die Stirn. »Deshalb musst du mir nicht gleich den Kopf abreißen.«
Wenn Sebastian seinen Bruder schroff behandelt hatte, so konnte er es nicht ändern. Ihm war bewusst, dass er zurzeit sehr schwierig war, doch in seinem Innersten herrschte ein völliges Durcheinander. Er hasste Unsicherheit und mochte es nicht, wenn seine Pläne durchkreuzt wurden. Und sobald es darum ging, einen Ehemann für Devon zu Finden, überschritt Sebastian die Grenze der Höflichkeit.
»Du hast natürlich Recht«, entschuldigte sich Justin schnell. »Niemals würdest du deine Erziehung und deine gesellschaftliche Position dermaßen missachten. Außerdem habe ich deine Suche nach einer passenden Braut ganz vergessen - immerhin ist es an der Zeit, dass du heiratest. Um Himmels willen, was habe ich mir da nur eingebildet? Du wärst niemals so ungestüm, deinen Gefühlen leichtfertig nachzugeben.«
Innerlich kochte Sebastian noch immer. Vielleicht war er ein Narr, doch Justins Vorschlag in Bezug auf Devons Zukunft hatte ihn völlig unerwartet getroffen. Und nun wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte.
Aber nein, das allein war es nicht. Er wollte sich keine Gedanken darüber machen.
Sebastian wollte die Aussage seines Bruders weder bekräftigen noch abstreiten. War Justin die Stimme der Vernunft? Oder die des Argwohns?
Noch wichtiger war hingegen die Frage: Konnte er seinen Bruder täuschen? Er wusste es nicht genau, denn Justin war selbst ein Meister darin, seine Gedanken zu verbergen. Vielleicht würde Justin es vermuten, entschied Sebastian langsam. Doch er wäre sich nicht völlig sicher.
Es ist nichts passiert , flüsterte ihm eine kleine quälende, innere Stimme zu. Weder an diesem Abend im Garten noch an irgendeinem anderen.
Jedenfalls noch nicht.
Allerdings wollte er es - um j eden Preis, denn diese qualvolle Sehnsucht war unerträglich.
»Du würdest deinen Gefühle nicht nachgeben, selbst wenn sie da wären«, fügte Justin schnell hinzu.
Sebastians Augen wurden zu Schlitzen, und er bedachte seinen Bruder mit einem äußerst abschätzigen Blick.
Abwehrend hob Justin die Hände. »Was denn? Warum siehst du mich so an? «
»Solch eine vernünftige Rede von dir zu hören, ist etwas völlig Neues. «
»Nun, du möchtest doch, dass ich verantwortungsbewusst handle, oder? «
»Natürlich«, sagte Sebastian kühl. »Aber ich frage mich, woher diese ganze Weisheit stammt.«
Justin lächelte süffisant. »Wahrscheinlich habe ich einen Brandy zu viel gehabt. Nun, wo waren wir eigentlich stehen geblieben? Ah, ja. Anstelle eines Postens als Gouvernante sollten wir Devon vielleicht lieber einen Gatten suchen.«'
Einen Ehemann. Einen Ehemann!
Allein das Wort war für Sebastian kaum zu ertragen, und er musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien. Der Gedanke, Devon mit einem anderen Mann zu sehen, ließ ihn vor Zorn erbleichen. Selbst der kleine Kuss auf die Wange, mit dem sie Justin gedankt hatte, hatte ihm einen fürchterlichen Stich versetzt. So harmlos der Kuss auch gewesen sein mochte, Sebastian wollte nicht, dass Devons Lippen irgendjemanden anderen außer ihn selbst berührten, und sei es seinen eigenen Bruder.
Wäre eine Heirat j edoch nicht die perfekte Lösung? Die Stimme der Vernunft ertönte nun in seinem Kopf . Mit einem wohlhabenden Gatten, der sich um Devon kümmerte, müsste sich Sebastian keine Sorgen darum machen, dass sie wieder auf der Straße landen könnte.
Warum also hätte er
Weitere Kostenlose Bücher