Verlockung der Finsternis (Kriegerinnen der Fiannah) (German Edition)
Gestalt dicht a m Rand der Klippe . Sie stand mit dem Rücken zu ihr, das lange, schwarze Haar bewegte sich sa nft im Wind . Im ersten Moment fürchtete sie , es wäre Cathals B ild von ihr, aber dann dre h te sich ihr Gesicht ins Pro fil. Sie sah ihr ähnlich – in gewisser Weise – aber sie war nicht ihr Abbild, nicht einmal eine Wunschvorstellung, die Cathal möglicherweise von ihr hegte. Wie sollte eine Narbe, die di e linke Gesichtshälfte zeichnete und von erlittenen Misshandlungen erzählte , einer Wunschv orste l lung entspringen? Das Wundmal war alt, älter als jede s, das Teagan an ih rem Körper trug und es entste l l te das Gesicht der Frau nicht. V ielleicht trug sie die Narb e als Ehrenzeichen für einen errungenen Sieg, der mögliche r weise allein darin bestand , überlebt zu haben. Sie fühlte sich de r Fremden verbunden, obwohl ihre eigenen Narben keine E h renzeichen waren, sie kündeten von Verbrechen , die sie begangen hatte , um zu überl e ben. N och etwas trennte Teagan von der Frau an der Klippe , während sie narbenlos heilte, sobald man ihr Blut gab, schien die Fremde nicht über diese Fähigkeit zu verfügen. War sie … Teagan suchte nach dem r ichtigen Wort . Lo r cans Blut floss noch stark in ihr, aber es verlor schnell seine Informationen – s eine Erinnerungen und sein Wissen, seine Sprache . Ehe es entschwand, erwischte sie es, Mensch , wie die Bewohner des Dorfes, die ihretwegen gestorben waren , die Unglückseligen, die sich in ihre Höhle verirrt hatten und der Wäc h ter, der sterben musste, weil e r Mitleid mit ihr empfand . War diese Frau an der Klippe ein Mensch?
Die Fremde drehte Teagan den Rücken zu , bemerkte sie nicht und sah hinab in den Abgrund . D er schwarze Umhang, in den sie gew a ndet war , bewegte sich , aber nicht wie ihr Haar im Wind, sondern als wäre er ein lebendiges Wesen – w iegte sich in einem Lied, das die Fremde sang. Teagan erkannte die M e lo die, s ie hatte ihr vor nicht allzu langer Ze it gelauscht . Sie zog sie in ihren Bann, i n diesem M o ment mehr als zu vor, da die F remde d ie traurige Melodie sang. Ihre Stimme war wunderschön und das herzbewegende Lied wie für s ie geschaffen. Sie wurde m a gisch von ihrem Gesang an gezogen, d och mit jedem Schritt , den sie sich der Fremden näherte, entfernte s ie sich und mit ihr d ie Klippe und das, was dahi n ter lag. Teagan blieb st e hen, es war sinn los. S ie würde niemals zu ihr gelangen , denn sie existierte in einer anderen Zeit , die Teagan verschlossen blieb , weil sie sich noch nicht ereignet hatt e. Dieser Teil von Cathals Welt bestand nicht aus Erinn e rungen, er war eine Mischung aus Sehnsucht und noch nicht Stattgefund e nem. Sie streckte ihre Hand aus, berührte nicht zum ersten Mal in ihrem Leben die Z u kunft. Wellen breite ten sich kreisförmig in alle Richtungen aus. Das Lied ve r stummte. Die Frau wandte sich im selben M o ment zu ihr um, nahm sie wahr, nun , da Teagan ihre Welt in Aufruhr versetzte. Was sie für einen Umhang g e halten hatte , breitete sich aus, eroberte immer mehr Raum und offenbarte seine wah re Natur, e s waren Schwingen . Die Lippen der Frau bewegten sich, riefen ihr e t was zu, das sie nicht erreichte, weil diese Worte in der Zukunft lagen. D ann, völlig überr a schend, warf sich die Fremde über den Rand der Klippe.
*
„ Du musst keine Angst haben, Teagan. ” Diese Worte erreichten sie nicht aus der Zukunft und sie wurden in einer Welt gesprochen, in die Teagan nun zurüc k keh r te. Sie musste wirklich keine Angst h a ben , nicht vor Cathal und auch nicht um ihn. Er besaß etwas, das sie für sich selbst nicht mehr wollte und mit seiner Hilfe wegzuwerfen gedachte. Dieses Wissen erleichterte ihr , ihn für ihre Zwecke einz u spannen . W as sie ihm an tun und wofür sie seine Gefühle missbrauchen wü r de , hin terließ keinen bleibenden Sch a den. Sein Schmerz wäre vorübergehender Natur, denn Cathal besaß eine Zukunft, in der eine Gefährtin auf ihn wartete – nicht sie . Teagan ergriff Cathals Hand, ihre Bereitwilligkeit, ihn zu begleiten, za u berte ein Lächeln auf sein Gesicht . Es betrübte sie und rief ihr in Erinnerung , dass ihr Nêr sie zu R echt eine Missgeburt hieß , die ein graus a mes Spiel mit ihrer Beute spielte .
„ Einen Augenblick . ” Der Heiler stellte sich Cathal und ihr in den Weg. „ Willst du das wirklich, Teagan? ”
Sie begegnete dem Blick des Heilers, drang zu dem Wesen vor, das er in se i nem Inneren
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