Verlockung der Finsternis (Kriegerinnen der Fiannah) (German Edition)
ihr nicht, um die Trance zu vertiefen, genügten Worte allein ohnehin nicht. Auch Lorcan ben ö tigte den Kö r perkon takt, b esser noch, er sah ihr in die Augen, berührte ihre Wange und s trich mit den Finge r spitzen über ihre Lider , um sie zu schließen. Alles in ihm sträubte sich gegen die Vorstellung, einer Frau so nah zu kommen, wie seit Jah r hunderten nicht mehr. Seine Hände waren für das Töten geschaffen , d och ihm blieb keine Wahl, d er überraschend starke Wille seines Schützlings verlangte mehr als woh l klingende Worte. Er hob die Hand, um den verfilzten Vorhang beiseite zu stre i chen. Seine Fingersp itzen berührten kaum ihr Haar, da schreckte sie aus der leic h ten Trance. Ihre Hand schoss nach oben, ve r setzte ihm fast einen Kinnhaken, wäre er nicht ausgewich en . Ä ngstlich schob sie sich bis an s Ende der Rück bank , i hre schnellen Atemzüg e brachten ihr Haar in Bewegung und die abwehrend e r hobene Hand zitte r te .
„ Wird das heute noch was? ” Cathal klappte die Sonnenblende herunter , der Spiegel ermöglichte ih m einen perfekten Blick auf das Geschehen hinter seinem R ü cken .
„ Je länger du Lorcan auf den Sack gehst , umso länger wird er brauchen . Deine Entscheidung ” , mischte sich Neakail ein .
Cathal zuckte gleichgültig mit den Schul tern und schwieg, ließ sie aber nicht aus den A u gen. Es war mehr ein Gefühl als Gewissheit, aber Lorcan glaubte , sein Schützling t at es Cathal gleich. Während der jedoch nur Augen für sie hatte, huschte ihr Blick zwischen ihm und Lorcan hin und her. Schätzte sie ein , von wem die größere Bedrohung aus ging? Bei der B e antwortung der Frage konnte er ihr helfen: vor ihm sollte sie sich in Acht nehmen. Aber die Warnung, die jeder in der Bruderschaft unte r schrieb, kam ihm nicht über die Li p pen.
„ Ná h bí E agla h ” , flüsterte er stattdessen , „ hab keine Angst. ”
Die schnellen Stöße ihres Atems stoben ihr Haar auf . Es sah eine sich endlos in die Länge ziehende Weile aus, als wäre die Verbindung zwischen ihnen, die er sich in der Höhle ein ge bildet hatt e , gerissen. Plötzlich sank ihre H and nach unten, z uckte jedoch seiner gleich wieder abwehrend entgegen , sobald er einen erneuten Ve r such startete . Einen Herzschlag lang hielt sie ihn in dieser Position fest , die andere Hand verschwand un ter dem schmutzigen Schleier. Schämte sie sich der Tränen, die nun ihren Handrücken mit dunklem Rot benetz ten? War ihr Blut etwas Schmutziges, mit dem er nicht in Berührung kommen sollte? Sie starrte vor Dreck, aber das frische Blut war das Einzige , das sie an der Decke a b wischte. Wusste sie nicht, wie verführerisch allein sein Duft war? Lorcan schütte l te den unangebrachten Geda n ken ab.
„Boddhau“, bat er. Mit Erfolg, sie hin derte ihn nicht, die verfilzten Strähnen zur Seite zu streichen. Er durfte mehr als einen kurzen Blick auf ihr Gesicht erh a schen. Dreck und verschmiertes Blut täusc h ten nicht über ihre ebenmäßigen Züge hinweg. Ihre vom Hunger gezeichneten hohlen Wangen schmälerten ihre Perfe k tion nicht, das galt auch für die verschorfte Platzwun de auf ihrer Unterlippe oder den gel b lich-braunen Bluterguss an ihrem Kinn. Was sie in der Höhle durchlitt en hatte , war kein Geheimnis, i hr Körper erzählte davon , jede Verletzung barg eine tra u rige Geschichte. Das galt nicht für ihre Augen. Lorcan erwartete Stumpfsinn, einen in der Gefangen schaft verkümmerten Verstand, nackten Wahn sinn, der ab und zu Neugier erl aubte . Stattdessen blickte er in das klare Silber eines wachen Geistes , i n Messerklingen , vielleicht, wenn sie um ihr kümmerliches Leben kämp f te, aber auch in Form gegossenes Mondlicht. Die Ei n zigartigkeit ihrer Augen zog ihn in ihren Bann, wie der Duft der Nachthy a zinthe.
Laut Schöpfungsgeschichte der Maya und Azteken entstiegen drei Götterpaare den unscheinbaren Bl ü ten. Noch heute werden sie als Opfergaben dargebracht. Ihr sinnlicher Duft der Schöpfung soll des Nachts zu den Göttern aufsteigen und sie berauschen. Eine menschliche Verbrämung der wahren Schö p fungslegende. In der Version, die sich die Namhionann erzählten, entstiegen der Nachthyazinthe die m y thologi schen Vorfahren der Erzdämonen. Jedes dieser fünf Dämonenp aar e einem Element zuge ordnet: Erde, Wasser, Luft , Fe u er und Akasha. Lag dieser Duft auf ihrer H aut, weil auch sie ein Dämon war? Vielleicht älter als alles, das existierte? Hielt ihr Nêr sie
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