Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Instrument spielt? Er spürte ihre Gegenwart auf der anderen Seite des Raums nur zu deutlich. Ihr Kopf war leicht geneigt, das Profil zart und klar. Das langsame Wedeln ihres Fächers war sinnlich und quälend zugleich, und obwohl er sich die größte Mühe gab, seine Aufmerksamkeit dem Streichquartett zu widmen, lenkte ihre Gegenwart ihn immer wieder ab.
Sie hatte seine Frage nicht beantwortet.
Dass er überhaupt etwas gesagt hatte, war ein Fehler gewesen. Schließlich musste er jeden Anschein eines aufkommenden Skandals vermeiden und unter den sprichwörtlichen Teppich kehren. Nicht nur zum Wohle seiner Schwestern und seiner Tochter, sondern auch, weil er danach strebte, so schnell wie möglich in sein Heimatland zurückzukehren.
Er hatte Lillian, Carole und Betsy nichts von seinen Plänen erzählt. Mit dem Titel als Earl war auch eine gewisse Bürde verbunden. Er fühlte sich schuldig, denn auch wenn er sich stets bewusst gewesen war, dass er drei Schwestern hatte, hätte er sich nie vorstellen können, mit ihnen eine Beziehung einzugehen, die über eine oberflächliche Bekanntschaft hinausging. Sein Vater hatte ihn drüben in Amerika häufig genug besucht, sodass er ihn sehr gut kannte. Und er hatte Adela, die in seinem Leben ein steter Quell der Freude war.
Als die Musik verklungen war, als die Gäste sich höflich verabschiedeten und den Salon in Scharen verließen, geleitete er pflichtbewusst seine Schwestern in das in Mayfair gelegene Stadthaus zurück. Lillian hatte es abgelehnt, sie zum Musikabend zu begleiten. Das war ein für sie normales Verhalten, hatte er schon bald erkannt. Nachdem er kurz nach Addie gesehen hatte, die zu dieser späten Stunde friedlich schlief, während sich ihr Kindermädchen im angrenzenden Raum aufhielt, machte er sich auf den Weg in den Club, den sein Cousin häufig besuchte. Seine eigene Mitgliedschaft in diesem Club war auch Teil des Erbes seines Vaters. Für gewöhnlich waren die verrauchten Räumlichkeiten für ihn zu beklemmend, und die Gesellschaft dort empfand er als zu wichtigtuerisch. Aber er hatte eine Nachricht erhalten, dass James nach einer Woche Abwesenheit, die er in geschäftlichen Angelegenheiten unterwegs gewesen war, wieder in der Stadt war und hoffte, ihn dort zu treffen.
Die Londoner Gesellschaft ist so vorhersehbar, dachte er, als er durch die Tür eintrat und vom Oberkellner begrüßt wurde. Die Männer sitzen in ihren Clubs, die Frauen bei ihren nachmittäglichen Teestunden.
James saß allein an einem der Tische. Die Zeitung lag gefaltet neben seinem Glas Whisky, und ein Grinsen erhellte sein Gesicht, als Jonathan zu ihm trat. »Wie war der Musikabend?«
»Sieh nicht so verflucht selbstzufrieden drein. Er war nicht so unerträglich wie manch anderer«, meinte Jonathan und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Er sank entspannt in einen Sessel und nickte dem Kellner zu, der in der Nähe auf seine Bestellung wartete. »Obwohl ich sagen muss, dass es nicht unbedingt meine Stärke ist, für junge Ladys die Anstandsdame zu spielen. Wo wir schon davon reden: Was genau ist mit Lillian passiert?«
James schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das dein Mischlingsblut oder deine amerikanische Herkunft ist, aber du hast eine unangenehme Art, schrecklich direkt zu sein. Bist du dir dessen bewusst?«
»Ich finde einfach, man soll immer das sagen, was man denkt.« Jonathan bestellte einen Brandy und sank etwas tiefer in seinen Sessel. »Und jetzt erzähl mir, was mit Lillian los ist. Sie wollte mir gegenüber lediglich zugeben, dass sie ruiniert sei und jemand namens Lord Sebring die Verantwortung dafür trüge. Danach erklärte sie mir rundheraus, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Darf ich allerdings darauf hinweisen, dass genau diese Sache mich sehr wohl etwas angeht? Im Übrigen weiß die ganze Gesellschaft längst Bescheid. Warum weiht man mich nicht ebenfalls ein?«
James betrachtete ihn nachdenklich von der anderen Seite des Tischs. Er wirkte irgendwie argwöhnisch. »Ich habe es bisher nicht erwähnt. Auch wenn sie kratzbürstig sein kann, mag ich Lily. Ich dachte, es ist das Beste, wenn ihr zwei euch erst ein bisschen beschnuppert, ehe du ein Urteil über sie fällst.«
»Ich fälle doch kein Urteil, James. Ich bin auch kein Chorknabe, wie ja jeder hier zu wissen scheint«, murmelte Jonathan verärgert. »Ich möchte einfach wissen, was passiert ist.«
Ein wilder Heiterkeitsausbruch an einem anderen Tisch
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