Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
bewahrte seinen Cousin vor einer Antwort. Irgendwie machte James ohnehin nicht den Eindruck, als wolle er allzu viel zu dem Thema sagen. Im gedämpften Licht wirkte sein Gesicht finster. »Ich bin auch nicht sicher, was genau vorgefallen ist, Jon. Ich weiß nur, dass Sebring sie vor vier Jahren überzeugen konnte, mit ihm durchzubrennen. Die Heirat hat allerdings nie stattgefunden. Sie schafften es fast bis nach Schottland, aber dann kamen sie nach London zurück. Zuvor verbrachten sie eine Nacht in einem schäbigen Dorfgasthof und schliefen im selben Zimmer. Hätte sie in jener Saison nicht ein so erfolgreiches Debüt hingelegt, wäre sie vielleicht ungeschoren davongekommen … Nicht ganz unbeschadet, aber wenigstens würde ihr jetzt nicht ein so schlechter Ruf anhaften. Sebring war eine ziemlich gute Partie, und es wurde sehr schnell deutlich, dass er ehrlich an ihr interessiert war. Es gab viele eifersüchtige, junge Ladys und ihre noch rachsüchtigeren Mamas, weshalb Lily über Nacht gesellschaftlich geächtet wurde, weil sie die Nacht mit ihm im Gasthof verbracht hatte und die Verlobung scheiterte. Wenn die strahlendste Debütantin der Saison in Ungnade fällt, ist das stets ein tiefer Sturz. Sie wurde in aller Öffentlichkeit geradezu in der Luft zerrissen. Wenn du mich fragst, hat sie sich davon nie erholt, und ich bin nicht sicher, ob ich es ihr verdenken kann, dass sie so zurückgezogen lebt.«
Sein Brandy wurde serviert, und Jonathan nahm einen kleinen Schluck. Das weiche Feuer brannte sich durch seine Kehle. Es bekümmerte ihn, sich vorzustellen, wie sehr Lily hatte leiden müssen. »Hat sie ihn geliebt? Oder liebt sie ihn noch?«
Sein Cousin verschluckte sich an seinem Whisky. Er hustete und räusperte sich verlegen. »Liebe? Ausgerechnet du fragst, ob sie ihn liebt?«
»Ich habe ein Kind. Ich weiß also, was Liebe ist. Du weißt zudem, wie sehr ich meinem Vater zugeneigt war.«
»Wir reden hier nicht über dasselbe. Ich habe ja nicht geahnt, dass in deiner Brust eine romantische Seele schlummert, Jon.«
War er ein Romantiker? Jonathan war nicht sicher, ob das Wort passte. Andererseits war er auch nicht sicher, dass es nicht passte. Sein eventuell romantisches Interesse an der hübschen Cecily gründete auf einem eher primitiven Konzept: Leidenschaft. Zwei kurze Begegnungen konnten wohl kaum ein innigeres Gefühl in ihm wecken. Aber eine sexuelle Anziehungskraft konnte er nicht leugnen. »Beantworte einfach nur meine Frage.«
»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte James schroff. »Wir sind Cousins und nicht besonders vertraut miteinander. Lily ist so ziemlich die letzte Person, die sich über ihre eigenen Gefühle äußern würde, ob nun mir gegenüber oder jemand anderem gegenüber.«
Jon lächelte reumütig. Er rutschte etwas tiefer in seinen Sessel. »Da liegst du absolut falsch. Sie kann sehr mitteilsam sein. Zum Beispiel hat mein Verhalten ihr Missfallen erregt. Ich fürchte, heute Abend habe ich nicht dazu beigetragen, dieses Missfallen zu verkleinern. Die Tochter des Duke of Eddington war bei dem Konzert. Mein Versuch, mich bei ihr für mein Verhalten bei der letzten Begegnung und das daraus resultierende Gerede zu entschuldigen, war alles andere als erfolgreich. Ich vermute, allein der Umstand, dass wir heute Abend miteinander gesprochen haben, wird für noch mehr Stirnrunzeln sorgen.«
»Ich bin sicher, du wirst recht behalten.« James wirkte amüsiert und neugierig. »Was hat sie gesagt?«
»Die schöne Lady Cecily? Sie gestand mir, dass unsere erste kurze Begegnung eine geradezu lächerlich große Aufmerksamkeit auf sich ziehe. Ich habe ihr aus vollem Herzen zugestimmt.«
»Ihr seid einer Meinung? Ich verstehe. Verspüre ich da nicht einen Hauch Begehrlichkeit?«
War Begehrlichkeit der richtige Ausdruck? Sie faszinierte ihn, und das kam unerwartet, denn er hatte sich nie vorstellen können, sich irgendwann zu einer stolzen, blassen Engländerin hingezogen zu fühlen. Aber Leidenschaft war eine Urgewalt und würde wieder vergehen. »Sie ist keine Amerikanerin«, sagte er einfach.
»Das bin ich auch nicht.« James widerlegte sein Argument mit unbestechlicher Logik. »Oder Lily oder deine anderen beiden Schwestern. Nicht mal dein Vater war Amerikaner. Du bist nicht länger in Amerika. Ich finde, das solltest du allmählich akzeptieren.«
»Ich werde nicht allzu lang in England bleiben.« Sein Tonfall war fast schon barsch.
»Wirst du nicht?« James fuhr mit einem Finger über den
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