Verloren unter 100 Freunden
vergleicht das My Real Baby gern mit ihrem Bruder Robby. Robby ist vier, und Callie glaubt, der Roboter würde wachsen, bis er so alt ist wie ihr kleiner Bruder. Nach dem Füttern des Roboters versucht Callie ihn zu einem Bäuerchen zu animieren und sagt: »Das machen Babys immer.« Sie drückt den Roboter sanft an sich. Sie glaubt, je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto besser würde er sie kennen lernen. Nach einer Weile sagt sie: »Unsere Beziehung, sie wächst … Am Anfang hat Bela mich ja noch gar nicht gekannt … aber nachdem wir so viel miteinander gespielt haben, kennt sie mich richtig gut und geht viel mehr aus sich heraus.«
Wenn Callie mit anderen Puppen spielt, erklärt sie, »tue« sie so, als wären sie lebendig. Mit dem Roboterbaby ist das anders. »Ich fühle mich wie Belas echte Mama. Ich wette, wenn ich es richtig versuchte, könnte sie noch ein neues Wort lernen. Vielleicht ›Da-da‹. Wenn ich es ihr immer wieder vorspreche, schnappt sie es vielleicht auf. Irgendwie ist es wie mit einem richtigen Baby, dem man ja kein schlechtes Vorbild sein möchte.« Wenn Callie mit dem Roboterbaby spielt, stellt sie sich gerne vor, sie und der Roboter würden in einer eigenen Wohnung leben. Sie nimmt sich aus ihrer eigenen Familie heraus und erschafft eine neue Familie, in der sie sich um den Roboter kümmert und dieser ihr ständiger Gefährte ist. Es ist eine Fantasie, in der dieses nach Aufmerksamkeit hungernde Kind endlich die erwünschte Aufmerksamkeit erhält.
In meiner Studie nimmt Callie sowohl ein My Real Baby als auch
einen AIBO mit nach Hause. Aber schon nach kurzer Zeit versagt die Technologie des Roboterhunds: Er entwickelt laute mechanische Pfeifgeräusche, und sein Gang wird wackelig. Callie betrachtet den AIBO daraufhin als krank, nicht als beschädigt – ein krankes Tier, das »tierärztliche Versorgung« benötigt. Callie glaubt, der Roboterhund habe »einen Virus, vielleicht die Grippe. Armer AIBO. Er hat mir leidgetan. Er ist ein guter Hund.« Am wichtigsten aber ist für Callie, ihre Rolle als erfolgreiche Mutter aufrechtzuerhalten. Sie kümmert sich um den AIBO – hält ihn warm, zeigt ihm ihre Liebe –, aber als er nicht gesund wird, ändert sich ihre Einstellung. Sie kann nicht tolerieren, dass der AIBO krank ist und sie ihm nicht helfen kann. Deshalb deutet sie das Problem des AIBO um. Er ist nicht krank, er simuliert nur. Als der AIBO nicht mehr laufen kann, sagt Callie: »Oh, das macht mein Hund auch, wenn er meine Aufmerksamkeit wecken möchte. Für mich sieht es so aus, als würde er schlafen. Oder sich einfach auf eine andere Art strecken als ein normaler Hund.« Als sie die beunruhigenden Pfeifgeräusche hört, glaubt Callie, der AIBO würde vielleicht »einfach nur einschlafen«. Sobald sie den reglosen Roboter als schlafend interpretiert, kann sie sich entspannen. Sie nimmt den AIBO in den Arm, drückt ihn an sich und streichelt ihn sanft. Sie sagt: »Oh, wie süß! Mein süßer AIBO! … Er ist irgendwie müde und muss sich ausruhen.« Callie konzentriert sich auf das, was für sie am wichtigsten ist: dass der Roboterhund sich geliebt fühlen soll. Sie sagt: »Er weiß, dass ich ihn halte.«
Während Callie in der eingebildeten eigenen Wohnung verschiedene Szenarien durchspielt, zeigen ihre Eltern und einige meiner Assistenten sich gerührt von ihrem liebevollen Umgang mit den Robotern, von der Selbstverständlichkeit, mit der sie sie als ihre neuen Freunde akzeptiert. Aber Callies Ernsthaftigkeit ist zwanghaft; sie muss Beziehungen mit diesen Robotern eingehen.
Callie ist sehr traurig, als die drei Wochen mit dem AIBO und
dem Roboterbaby vorüber sind. Sie hat die Zeit genutzt, um ihre Fähigkeiten als gute Mutter zu demonstrieren. Am Ende öffnet sie noch einmal den Karton und verabschiedet sich ein letztes Mal gefühlvoll vom My Real Baby. Sie versichert dem Roboter, dass sie ihn vermissen werde und »dass die Forscher sich gut um dich kümmern werden«. Callie hat versucht, sich den Wunsch, geliebt zu werden, zu erfüllen, indem sie sich für ihre Roboter unentbehrlich gemacht hat. Sie fürchtet, ihre Eltern würden sie über all ihrer Arbeit vergessen, und nun kommt die Angst hinzu, dass der AIBO und das Roboterbaby sie vergessen werden.
Mit besten Absichten hoffen die Roboter-Konstrukteure, dass wir ihre Erfindungen nutzen, um unsere Beziehungsfähigkeit zu üben. Aber für jemanden wie Callie könnte diese Übung zu perfekt sein. Von den Menschen
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