Verloren unter 100 Freunden
beschreibt dieses Angstgefühl: »Falls meine Oma begänne, den Roboter richtig zu mögen, könnte sie anfangen, ihn als Teil der Familie zu betrachten, und die echten Familienmitglieder wären ihr dann vielleicht nicht mehr so wichtig.« Die Kinder haben Angst, dass Roboter bei ihren Großeltern allzu herzliche Gefühle auslösen könnten. Sie malen sich aus, ihre Großeltern könnten den neuen Gefährten gegenüber zu dankbar und zu herzlich sein. Der Roboter, der anfangs als »Lösung« erschien, wird zum Usurpator. Owen sorgt sich, dass »Großeltern den Roboter mehr lieben könnten als ihren Enkel selbst … Sie wären viel öfter mit dem Roboter zusammen.« Ich frage ihn, ob der Roboter die Liebe der Großeltern
erwidern würde. »Ja«, sagt Owen, »ein bisschen schon. Ich könnte auf den Roboter eifersüchtig werden.«
Hunters Oma lebt allein. Sie hat einen Notrufknopf für den Fall, dass sie schnelle Hilfe benötigt – zum Beispiel falls sie stürzt oder plötzlich erkrankt. Obwohl Hunter weiß, dass das My Real Baby oder der AIBO seiner Oma nicht helfen könnten, glaubt er, künftige Roboter seien dazu sehr wohl in der Lage. Hunter hat gemischte Gefühle. »Ich habe Angst, dass sie so einen Roboter wirklich toll finden würde … Vielleicht würde sie ihn mehr mögen als mich. Der Roboter wäre ihr eine größere Hilfe als ich.« Hunter möchte derjenige sein, der seiner Oma hilft, aber er wohnt nicht bei ihr. Ihm ist klar, wie hilfreich ein Roboter wäre, aber es regt ihn auf, »dass der Roboter ihr Held sein könnte«.
Ähnlich denkt auch die vierzehnjährige Chelsea, eine Achtklässlerin aus Hartford. Ihre vierundachtzigjährige Großmutter wohnt im Heim. Chelsea und ihre Mutter besuchen sie einmal in der Woche. Die Vergesslichkeit ihrer Großmutter macht Chelsea Angst. »Ich möchte nicht, dass sie mich vergisst.« Als ich ihr das My Real Baby zeige, spricht Chelsea von ihrer Großmutter. »Es würde ihr Freude machen. Wirklich. Irgendwie gefällt mir das nicht. Aber das Roboterbaby tut viele Dinge, die meine Oma mögen würde … Ich glaube, sie fände es schön, dass das Baby immer da wäre und nicht so viele Fragen stellt. Ich glaube, bei den Besuchen stellen meine Mutter und ich ihr zu viele Fragen. Manchmal bilde ich mir ein, dass sie erleichtert ist, wenn wir gehen. Das Roboterbaby würde sie einfach liebhaben, und es gäbe keinen Stress für sie.«
Ich frage Chelsea, ob sie ihrer Oma ein My Real Baby mitbringen möchte. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: »Nein! Ich weiß, es klingt krank, aber ich wäre eifersüchtig. Mir gefällt nicht, dass ein Roboter mich ersetzen könnte, aber mir ist klar, dass es möglich wäre.« Ich frage Chelsea nach den Dingen, die nur sie
ihrer Oma bieten kann, zum Beispiel gemeinsame Erinnerungen. Chelsea nickt, sagt aber kaum etwas. Für den Augenblick kann sie nur an die ruhige Gegenwart des Roboterbabys denken. Als ich Chelsea das nächste Mal treffe, ist ihre Mutter dabei. Sie haben über die Idee vom Robotergefährten gesprochen. Aus Chelseas Sicht verlief das Gespräch nicht gut; sie ist sauer, weil ihrer Mutter die Idee zu gefallen scheint. 3 In scharfem Ton sagt sie: »Besser, Oma ist einsam, als dass sie uns vergisst, weil sie nur noch mit ihrem Roboter spielt. Ich wäre tierisch eifersüchtig auf den Blechkasten.«
In Miss Grants Klasse endet das Gespräch über Roboter und Großeltern mit Skepsis. Einige Kinder sprechen von Eifersucht, während andere den Ersatz schlichtweg falsch finden. Ein Junge sagt: »Ich würde das Ding [den Roboter] nicht an meine Oma ranlassen.« Ein anderer findet: »Das wäre zu seltsam.« Ein dritter sorgt sich, dass ein Roboter »explodieren oder das Haus anzünden oder plötzlich nicht mehr funktionieren könnte«. Unser Gespräch, das ganz sachlich begann, wird zusehends aufgeregter. Am Ende tritt ein sorgenvoller Konsens zutage: Haben wir keine Menschen für diese Aufgabe?
Von Rorschach zur Beziehung
Das My Real Baby war primitiv, das erste seiner Art und kein kommerzieller Erfolg. Nichtsdestotrotz war es imstande, das »echte Baby« in uns anzusprechen, den Teil, der Fürsorge braucht und Angst hat, sie nicht zu erhalten. Den Kindern wurde dadurch ermöglicht, ihre Hoffnung, das zu bekommen, was ihnen fehlt, auf die Idee vom Roboter zu projizieren.
Die zehnjährige Callie ist ernst und spricht mit leiser Stimme. Als ich zum ersten Mal ein My Real Baby an ihre Schule bringe, sagt sie,
das Baby sei
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