Verloren
Stoff meines Kleides. Dass es neu war, ist mir egal – dafür war das Erlebnis, das es ruiniert hat, viel zu intensiv und schön –, aber es stellt mich tatsächlich vor ein Problem. »Wie soll ich denn so auf die Straße gehen?«
»Wer sagt denn, dass du das tun sollst?« Matteo grinst zwar, aber da ist auch etwas sehr Entschiedenes in seinem Gesicht, als er mich kurzerhand auf seine Arme nimmt und mich die Treppe hochträgt, so als wollte er auf jeden Fall verhindern, dass ich wieder gehe. Oben bringt er mich bis in sein Schlafzimmer, doch er hat nicht vor, was ich zuerst denke, denn er geht am Bett vorbei in das angrenzende Bad. Erst dort lässt er mich runter.
»Du willst dich sicher ein bisschen frisch machen«, sagt er, und als mein Blick auf mein Spiegelbild fällt, wird mir klar, was er meint – ich sehe mit dem zerrissenen Kleid fast dramatisch derangiert aus, was Matteo jedoch nicht davon abhält, mich noch mal zu küssen. »Und ich kümmere mich inzwischen weiter um die Pasta, die ich mir machen wollte, bevor du kamst.«
Überrascht runzele ich die Stirn. Er kann kochen?
Offenbar kann er mir die Frage vom Gesicht ablesen, denn er lächelt. »Elisa ist nur unter der Woche hier – am Wochenende bin ich auf mich allein gestellt.«
Wie praktisch, denke ich und werde ein bisschen rot bei dem Gedanken, was passiert wäre, wenn jemand vorhin in die Halle gekommen wäre.
»Du hast doch Hunger?«, fragt er und ich nicke, überrascht darüber, dass er so ganz anders ist, als ich erwartet hatte. Aber das ist er ja eigentlich immer, denke ich, während ich aus dem zerfetzten Kleid schlüpfe.
Es fühlt sich ein bisschen an, als würde ich damit gleichzeitig auch die letzte Rüstung ablegen, die mein Herz vor Matteo Bertani schützt. Und das macht mir Angst, weil ich immer noch nicht weiß, wie lange ich bleiben kann. Und ob er das überhaupt will, schließlich hat er dazu nichts gesagt.
Aber jetzt es ist sowieso zu spät, denke ich. Mir bleibt nur noch übrig, Sarahs Rat zu befolgen und einfach zu sehen, was daraus werden wird.
Als ich aus dem Bad komme, überlege ich, was ich anziehen soll. Ich könnte ins Gästezimmer gehen und nach dem Kimono suchen, der da sicher irgendwo ist, aber ich entscheide mich spontan lieber für das Hemd, das auf einem Bügel am Schrank hängt. Falls es für irgendeinen speziellen Anlass gedacht war – Pech. Ich wollte mein Kleid schließlich auch öfter als einmal tragen, und ich finde, Matteo schuldet mir wenigstens diesen notdürftigen Ersatz. Außerdem riecht es so gut nach ihm.
Das Hemd ist viel zu groß, reicht mir bis zur Mitte der Oberschenkel. Ich muss die Ärmel krempeln, um nicht darin zu versinken, und als ich an mir herunterblicke, kann ich es für einen Moment irgendwie nicht fassen, dass ich, die vernünftige, ruhige Sophie, das Hemd eines Mannes trage – weil der mir mein Kleid gerade im wahrsten Sinne des Wortes vom Leib gerissen hat. Wow. Wer hätte das gedacht, denke ich und lächle versonnen. Und das ist ja noch gar nicht alles, denn da mein Slip dieses heiße Intermezzo ebenfalls nicht überlebt hat, habe ich jetzt nicht mal was drunter. Aber da Matteo mich auch schon ganz ohne Kleidung gesehen hat, habe ich keine Probleme damit – es hat sogar ein bisschen was Verruchtes, das der wagemutigen Sophie ganz gut gefällt. Deshalb richte ich nur noch ein letztes Mal meine Haare und mache mich dann auf die Suche nach ihm.
Es ist nicht schwer, ihn zu finden, ich muss nur dem köstlichen Duft nachgehen, der durch die Zimmer zieht und mich direkt in die Küche führt. Sie ist groß und modern, mit einer Kochinsel aus poliertem Beton in der Mitte, einem riesigen Kühlschrank und Schränken in glänzendem Graugrün, die mir gefallen, weil ihr Design so minimalistisch ist – ein Kontrapunkt zum Rest der Wohnung. Und sie wird sehr regelmäßig benutzt, das sieht man an den Sachen, die überall griffbereit platziert sind – Messer und andere Utensilien, Töpfe mit frischen Kräutern, Schalen mit Tomaten und Zwiebeln.
Matteo steht an der Kochinsel und gibt gerade gehackte Kräuter in den Topf, der den leckeren Duft verströmt, dem ich gefolgt bin. Dann rührt er kurz in dem etwas größeren Topf daneben, in dem offensichtlich Pasta kocht, und macht das Gleiche auch noch mal mit einem anderen Löffel in dem kleinen. Darauf ist er so konzentriert, dass er mich gar nicht bemerkt, deshalb kann ich ihn in Ruhe betrachten und bin ganz versunken in seinen Anblick. Er
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