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Verloren

Verloren

Titel: Verloren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Taylor
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Doch Lorenzo schiebt mich weiter in den Raum hinein, und ich bin noch zu unentschlossen für einen Rückzug – es wäre schon sehr unhöflich, schließlich bin ich gerade erst gekommen –, deshalb lasse ich es zu.
    Sein Ziel ist ein Ecksofa, das frei ist, fast zumindest, denn ein Pärchen sitzt schon auf dem einen Ende. Die beiden wirken eigentlich ganz normal, sind vollständig bekleidet, selbst wenn das Dekolletee der Frau sehr tief ist, und halten Martini-Gläser in der Hand, deshalb setze ich mich auf den äußeren Platz am anderen Ende, als Lorenzo mich dazu auffordert.
    »Hallo«, ruft die Frau über den Musiklärm und prostet mir lächelnd zu, was ich kurz darauf erwidern kann, weil Lorenzo mir ein Glas mit einer merkwürdig bläulich gefärbten Flüssigkeit in die Hand drückt – offenbar irgendein Cocktail, von dem ich sofort einen Schluck nehme, um meine Nerven zu beruhigen.
    Jetzt, wo meine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben, merke ich, dass mein erster Eindruck ein bisschen richtig und ein bisschen falsch war. Es ist keine Orgie, es geht nur »hoch her«, wie Andrew es formuliert hat. Aber irgendwie hat die gesamte Atmosphäre schon etwas Hemmungsloses, Entfesseltes. Einige Leute tanzen wild und selbstvergessen zu der Musik, andere Paare küssen sich – das Pärchen am Ende der Couch zum Beispiel hat gerade damit angefangen, und ich sehe auch noch andere, hinten an der Wand –, und man hat den Eindruck, dass daraus durchaus noch mehr werden könnte, wenn die Stimmung sich weiter aufheizt.
    Aus purer Verzweiflung nehme ich noch einen Schluck von dem Cocktail – dessen Süße nur unzureichend darüber hinwegtäuschen kann, wie viel Alkohol er enthält –, weil ich mich so komplett fehl am Platz fühle. Das fängt schon an mit meiner Kleidung, denn in meinem hochgeschlossenen Etuikleid komme ich mir unter all diesen glitzernden, knappen Outfits total steif vor. Und so fühle ich mich auch, steif und uncool, prüde fast, weil mir das alles viel zu nah und zu aufdringlich ist, was hier passiert.
    Ich hatte einfach etwas ganz anderes erwartet. Kontakte knüpfen kann man hier jedenfalls total vergessen – für jede vernünftige Unterhaltung ist die Musik einfach zu laut. Außerdem wirken die Gäste nicht wie Leute, die sich seriös mit Kunst befassen, und keinen möchte ich tatsächlich näher kennenlernen. Eigentlich möchte ich nur weg und überlege deshalb fieberhaft, welche Ausrede es schaffen könnte, mich möglichst schnell wieder zurück ins »Fortuna« zu bringen.
    »Sie wirken nicht glücklich, Sophie«, sagt Lorenzo so unvermittelt an meinem Ohr, dass ich zusammenzucke. Er steht hinter der Couch – das geht, weil sie, wie die anderen Sitzgelegenheiten, frei in diesem riesigen Raum platziert ist – und hat die Unterarme auf die Lehne gelegt, beugt sich zu mir herunter, damit er mit mir reden kann. Die Tatsache, dass sein Gesicht meinem dadurch sehr nah kommt, ist mir unangenehm, aber anders würde ich ihn über den Lärm nicht verstehen. »War Ihre Suche heute nicht erfolgreich?«
    Ich brauche einen Moment, bis mir klar wird, dass er offenbar gar nicht meine Reaktion auf die Party meint, sondern von den Galerien spricht, die er mir gestern empfohlen hat und in denen ich heute war.
    »Nein, leider«, sage oder besser gesagt schreie ich.
    Es waren zwar einige interessante Objekte dabei – mehr als bei Lorenzo selbst, denke ich etwas schuldbewusst –, und ich habe Grace ein paar Fotos davon auf ihr Handy geschickt. Aber richtig zufrieden bin ich noch nicht.
    Die Details würde ich ihm eigentlich gerne erzählen – schon weil ich nicht so recht weiß, worüber wir sonst reden sollen –, bloß ist es hier einfach zu laut, deshalb zucke ich nur mit den Schultern. »Ich werde schon was finden«, brülle ich ihm ins Ohr. »Aber trotzdem vielen Dank für die Tipps.«
    Ich proste ihm zu und trinke noch einen großen Schluck von dem Cocktail – wahrscheinlich eine reine Übersprungshandlung, denn der Alkohol bekommt mir gar nicht, macht meine Müdigkeit nur schlimmer. Leider wummern genau in diesem Moment die Bässe so unerwartet heftig aus den Lautsprechern, dass ich zusammenzucke und fast etwas von meinem Drink auf mein Kleid verschütte. Einen Augenblick später spüre ich Lorenzos Hand auf meiner Schulter.
    »Sollen wir kurz rausgehen?«, fragt er an meinem Ohr, und ich nicke, ergreife einen Augenblick später erleichtert seine Hand, die er mir hinstreckt, um mir aufzuhelfen.

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