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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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»geben Sie dem Herrn für mich neunzig Franken. – Giriere den Wechsel, mein Bester.«
    Lousteau nahm die Feder des Kassierers, während dieser das Geld aufzählte, und schrieb seinen Namen auf den Wechsel. Lucien war ganz Auge und Ohr und verlor keine Silbe von diesem Gespräch.
    »Das ist noch nicht alles, lieber Freund, ich sage nicht danke schön, wir müssen einander in allem beistehen. Ich muß den Herrn hier mit Dauriat bekannt machen, und du mußt ihn dazu bringen, daß er uns Gehör schenkt.«
    »Um was handelt es sich?« fragte Finot.
    »Um eine Gedichtsammlung«, antwortete Lucien.
    »Oh!« sagte Finot und trat zurück.
    »Der Herr«, sagte Vernou mit einem Blick auf Lucien, »hat noch nicht lange mit Verlegern zu tun, sonst hätte er sein Manuskript schon im entlegensten Winkel seiner Wohnung vergraben.«
    In diesem Augenblick trat ein schöner junger Mann, Emile Blondet, herein, der im ›Journal des Débats‹ mit Artikeln debütiert hatte, die großes Aufsehen machten, gab Finot und Lousteau die Hand und grüßte Vernou oberflächlich.
    »Komm mit uns zum Souper, um Mitternacht, bei Florine«, sagte Lousteau zu ihm.
    »Ich bin dabei,« antwortete der junge Mann, »aber wer wird alles da sein?«
    »Oh!« erwiderte Lousteau, »da sind Florine und der Drogist Matifat, Bruel, der Dramatiker, der Florine zu ihrem Debüt eine Rolle gegeben hat; ein altes Kerlchen, Vater Cardot und sein Schwiegersohn Camusot; ferner Finot...«
    »Bist du mit deinem Drogisten zufrieden?«
    »Er wird uns keine Drogen vorsetzen«, erwiderte Lucien.
    »Der Herr ist sehr witzig«, sagte Emile Blondet ganz ernst und sah Lucien an. »Er wird auch an dem Souper teilnehmen, Lousteau?«
    »Ja.«
    »Es wird lustig werden.«
    Lucien war bis hinter die Ohren errötet.
    »Dauert es noch lange, Dauriat?« fragte Blondet und klopfte an die Scheibe, hinter der Dauriat an seinem Schreibtisch saß.
    »Ich stehe zur Verfügung, lieber Freund.«
    »Schön«, sagte Lousteau zu seinem Schützling. »Der junge Mann, der fast ebenso jung ist wie Sie, ist an den ›Débats‹. Er ist einer der Fürsten der Kritik: er ist gefürchtet, Dauriat wird ihm schmeicheln, und dann können wir dem Pascha der Vignetten und der Druckerschwärze von unserm Geschäft sprechen; sonst kämen wir um elf Uhr noch nicht an die Reihe. Die Zahl der Wartenden wird immer größer.«
    Lucien und Lousteau traten jetzt nahe an Blondet, Finot und Vernou heran und bildeten unmittelbar vor dem Eingang zu Dauriats Kontor eine geschlossene Gruppe.
    »Womit ist er beschäftigt?« fragte Blondet Gabusson, den ersten Gehilfen, der aufstand, um ihn zu begrüßen.
    »Er kauft eine Wochenschrift, die er wieder in Schwung bringen will, um sie dem Einfluß der ›Minerva‹, die zu ausschließlich Eymery dient, und dem ›Conservateur‹, der zu blind zu den Romantikern hält, entgegenzustellen.«
    »Wird er gut zahlen?«
    »Wie immer... zuviel!« erwiderte der Kassierer.
    In diesem Augenblick trat ein junger Mann herein, von dem eben ein vorzüglicher Roman erschienen war, der schnellen Absatz und den schönsten Erfolg gefunden halte, ein Roman, dessen zweite Auflage eben für Dauriat gedruckt wurde. Der junge Mann war eine außergewöhnliche und bizarre Erscheinung, die gleich die Künstlernatur verriet, und er fiel Lucien sehr auf.
    »Das ist Nathan«, sagte Lousteau unserm Provinzdichter ins Ohr.
    Nathan trat trotz dem Ausdruck wilden Stolzes in seinem damals noch ganz jugendlichen Gesicht an die Journalisten mit gezogenem Hut heran und stand fast demütig vor Blondet, den er bis jetzt nur vom Sehen kannte. Blondet und Finot behielten ihre Hüte auf dem Kopf.
    »Ich bin glücklich über die Gelegenheit, die mir der Zufall verschafft...«
    »Er ist so verlegen, daß er in Pleonasmen spricht«, sagte Félicien zu Lousteau. »...Ihnen meine Dankbarkeit für den schönen Artikel auszusprechen, den Sie so freundlich waren im ›Journal des Débats‹ über mich zu schreiben. Mein Buch verdankt Ihnen die Hälfte seines Erfolgs.«
    »Nein, mein Lieber, nein«, sagte Blondet mit gutmütiger Gönnermiene. »Hol mich der Teufel! Sie haben Talent, und ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    »Da Ihr Artikel schon erschienen ist, kann es ja nicht aussehen, als ob ich dem Mächtigen schmeicheln wollte; wir können also ungeniert zueinander sein. Wollen Sie mir die Ehre und das Vergnügen machen, morgen mit mir zu essen? Finot wird dabei sein. – Lousteau, alter Freund, du sagst

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