Verlorene Illusionen (German Edition)
mehr als das Doppelte in die Höhe getrieben. Ich sage Ihnen das alles nur, weil Sie der Freund Lousteaus sind, mein Kleiner«, sagte Dauriat zu dem Dichter und klopfte ihm mit empörender Vertraulichkeit auf die Schulter. »Wollte ich mit allen Schriftstellern, die mich zu ihrem Verleger haben möchten, mich unterhalten, dann müßte ich meinen Laden zumachen, denn ich verbrauchte meine ganze Zeit in Gesprächen, die überaus angenehm wären, aber viel zu teuer. Ich bin noch nicht reich genug, um die Monologe jeder Eigenliebe anhören zu können. Das leiste ich mir im Theater, in den klassischen Tragödien.«
Die kostbare Toilette dieses schrecklichen Dauriat unterstützte die grausame Logik dieser Worte in den Augen unseres Provinzialen.
»Was ist es denn?« wandte sich Dauriat an Lousteau.
»Ein wundervolles Gedichtbuch.«
Als Dauriat dieses Wort hörte, wandte er sich mit einer Gebärde, die Talmas würdig gewesen wäre, zu Gabusson:
»Freund Gabusson, wer von heute an kommt, um mir Manuskripte anzubieten... – ihr andern, hört ihr, was ich sage?« wandte er sich an drei Gehilfen, die hinter den Bücherstößen hervorkamen, als sie die zornige Stimme ihres Herrn hörten, der seine Nägel und seine wohlgepflegte Hand betrachtete – »wer mir Manuskripte bringen will, wird gefragt, ob es Verse sind oder Prosa. Sind es Verse, dann wird er sofort weggeschickt. Wer Verse macht, soll meinem Laden die Ferse zeigen.«
»Bravo! Das hat Dauriat gut gesagt«, riefen die Journalisten.
»Wahrhaftig!« rief der Buchhändler und ging, Luciens Manuskript in der Hand, mit großen Schritten im Laden auf und ab; »ihr Herren wißt nicht, was die Erfolge Lord Byrons, Lamartines, Victor Hugos, Casimir Delavignes, Canalis' und Bérangers für Unheil angerichtet haben. Ihr Ruhm hat uns eine Invasion der Barbaren eingebracht. Ich bin sicher, es gibt in diesem Augenblick im Verlagsbuchhandel tausend Manuskripte mit Versen, die alle den ›Korsar‹ und den ›Lara‹ nachahmen, lauter abgebrochene Stücke aus der Geschichte, ohne Kopf und ohne Schwanz. Die jungen Leute wollen durchaus originell sein und schreiben Strophen, die kein Mensch versteht, beschreibende Gedichte, in denen die junge Richtung neu zu sein glaubt, während sie nichts weiter bringt als Delille! Seit zwei Jahren vermehren sich die Lyriker wie die Maikäfer. Ich habe im letzten Jahr zwanzigtausend Franken an ihnen verloren! Fragen Sie Gabusson! Es kann in der Welt unsterbliche Dichter geben, ich kenne darunter Milchgesichter, die noch keinen Bart haben,« sagte er zu Lucien; »aber, junger Mann, für den Buchhandel gibt es nur vier Dichter: Béranger, Casimir Delavigne, Lamartine, Victor Hugo; denn Canalis... das ist ein Dichter, der mit Artikeln in die Höhe gebracht worden ist.«
Lucien fühlte nicht den Mut in sich, sich in die Brust zu werfen und vor diesen einflußreichen Männern, die laut auflachten, den Stolz herauszukehren. Er merkte, daß er sich lächerlich machen würde, aber er verspürte ein heftiges Gelüste, dem Buchhändler an die Gurgel zu springen, seine Krawatte, die so abscheulich schön geknotet war, zu zerzausen, die goldene Kette, die auf seiner Weste glänzte, zu zerreißen, seine Uhr zu Boden zu werfen und zu zertreten. Die gereizte Eigenliebe, öffnete der Rachsucht die Tür, und er schwor diesem Buchhändler, dem er zulächelte, einen tödlichen Haß.
»Die Poesie ist wie die Sonne, die die ewigen Wälder wachsen läßt und die auch die Mücken, die Schnaken und die Moskitos erzeugt«, sagte Blondet. »Es gibt keine Tugend, die nicht durch ein Laster ergänzt wird. Die Literatur erzeugt die Buchhändler.«
»Und die Journalisten«, rief Lousteau.
Dauriat lachte laut auf.
»Was ist das nun eigentlich?« fragte er und zeigte auf das Manuskript.
»Eine Sammlung Sonette, vor denen Petrarca zurückstehen muß«, erwiderte Lousteau.
»Wie meinst du das?« fragte Dauriat.
»Wie alle Welt«, sagte Lousteau, der auf allen Lippen ein leichtes Lächeln sah.
Lucien durfte nicht losbrechen, aber er schwitzte in seinen Kleidern.
»Schön, ich werde lesen«, sagte Dauriat und machte eine königliche Gebärde, die die ganze Bedeutung dieses Versprechens zeigen sollte. »Wenn deine Sonette auf der Höhe des neunzehnten Jahrhunderts stehen, Kleiner, dann mache ich aus dir einen großen Dichter.«
»Wenn er so geistvoll ist, wie er schön ist, laufen Sie keine große Gefahr«, sagte einer der berühmtesten Kammerredner, der mit einem
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