Verlorene Illusionen (German Edition)
nicht nein«, fügte Nathan hinzu und schüttelte Etienne die Hand. – »Ah, Sie sind auf einem schönen Wege,« sagte er wieder zu Blondet, »Sie sind der Erbe der Dussault, der Fiévée, der Geoffroy! Hoffmann hat über Sie mit Claude Vignon, seinem Schüler, der mein Freund ist, gesprochen und hat zu ihm gesagt, er könne ruhig sterben, da für die Existenz des ›Journal des Débats‹ gesorgt sei. Man muß Ihnen ein riesiges Honorar zahlen?«
»Hundert Franken für die Spalte«, sagte Blondet. »Der Preis ist nicht hoch, wenn man genötigt ist, Bücher zu besprechen, davon hundert zu lesen, bis man eins findet, mit dem man sich beschäftigt, wie das Ihre. Auf Ehre, Ihr Werk hat mir Vergnügen gemacht.«
»Und hat ihm fünfzehnhundert Franken eingebracht«, sagte Lousteau zu Lucien.
»Sie beschäftigen sich auch mit Politik?« fing Nathan wieder an.
»O ja, hie und da«, erwiderte Blondet.
Lucien, der sich hier wie ein Embryo vorkam, hatte das Buch Nathans bewundert, er verehrte den Verfasser wie einen Gott, und er war aufs höchste verblüfft über diese Kriecherei vor einem Kritiker, von dessen Namen und Bedeutung er nichts wußte.
»Werde ich mich je so benehmen? Muß man seine ganze Würde aufgeben?« fragte er sich. – »Setz doch deinen Hut auf, Nathan! Du hast ein schönes Buch geschrieben und der Kritiker nur einen Artikel.«
Diese Gedanken peitschten ihm das Blut durch die Adern. Er sah in jedem Augenblick schüchterne junge Leute, Schriftsteller, die Geld brauchten, hereintreten, die nach Dauriat fragten, aber, wenn sie die Bude voll sahen, daran verzweifelten, zu ihm zu dringen, und beim Hinausgehen sagten: »Ich werde wiederkommen.« Zwei oder drei Politiker plauderten in einer Gruppe, bei der politische Berühmtheiten standen, von der Einberufung der Kammern und von öffentlichen Angelegenheiten. Die Wochenschrift, über deren Ankauf Dauriat verhandelte, hatte das Recht, Politik zu treiben. In jener Zeit waren die Tribünen aus bedrucktem Papier selten geworden. Ein Blatt war ein so begehrtes Privileg wie ein Theater. Einer der einflußreichsten Aktionäre des ›Constitutionnel‹ befand sich in der Politikergruppe. Lousteau entledigte sich seines Amtes als Cicerone aufs trefflichste. So wuchs Dauriat in Luciens Geist von Satz zu Satz, er sah in diesem Laden Politik und Literatur vereint. Beim Anblick eines hervorragenden Dichters, der in diesem Laden die Muse an einen Journalisten verkuppelte, der die Kunst demütigte, wie das Weib in diesen fluchwürdigen Galerien gedemütigt und prostituiert wurde, empfing unser Provinziale eine furchtbare Lehre. Geld! das war die Lösung jedes Rätsels. Lucien fühlte sich allein, unbekannt und nur durch den Faden einer zweifelhaften Freundschaft mit dem Erfolg und dem Glück verknüpft. Er klagte seine wirklichen Freunde an, sie hätten ihm die Welt in falschem Lichte gezeigt, sie hätten ihn gehindert, sich mit der Feder in der Hand in dieses Getümmel zu stürzen.
»Ich wäre schon Blondet!« rief es in seinem Innern.
Lousteau, der droben auf dem Luxembourg wie ein verwundeter Adler gejammert hatte, der ihm so groß erschienen war, hatte nur noch kleine Dimensionen. Hier der Modebuchhändler, der all diese Existenzen möglich machte, schien ihm der wichtige Mann. Der Dichter empfand, als er so mit seinem Manuskript in der Hand dastand, ein quälendes Gefühl, das fast wie Furcht war. In der Mitte des Ladens sah er auf Sockeln von Holz, das wie Marmor bemalt war, Büsten von Byron, von Goethe und von Herrn von Canalis, von dem Dauriat einen Band zu bekommen hoffte, und der an dem Tage, an dem er in diesen Laden träte, mit Augen sehen könnte, wie hoch ihn der Buchhändler stellte. Unwillkürlich sank für Lucien sein eigener Wert, sein Mut verließ ihn, er gewahrte, wie groß der Einfluß dieses Dauriat auf sein Geschick sein mußte, und erwartete ungeduldig, daß er käme.
»Nun, Kinder,« sagte ein kleiner, stämmiger und dicker Mann, dessen Gesicht aussah wie das eines römischen Prokonsuls, wenn schon er in seinen Mienen eine gewisse Gutmütigkeit zur Schau trug, wodurch sich oberflächliche Leute leicht täuschen konnten, »seht in mir den Besitzer der einzigen Wochenschrift, die feil war, und die zweitausend Abonnenten hat.«
»Aufschneider! Die Stempelbehörde weiß nur von siebenhundert, und das finde ich auch eine sehr hübsche Zahl«, sagte Blondet. »Mein heiligstes Ehrenwort, es sind zwölfhundert. Ich habe zweitausend gesagt,«
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