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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Frau von Bargeton und Frau von Montcornet hielten ihn an diesem Faden, wie ein Kind einen Maikäfer hält. Lucien flog nur noch in einem begrenzten Kreise. Die Worte: »Er ist einer der Unseren, er denkt, wie sichs gehört!« die vor drei Tagen in den Salons von Fräulein des Touches gefallen waren, hatten ihn berauscht, und ebenso beseligt hatten ihn die Glückwünsche, die er von den Herzogen von Lenoncourt, von Navarreins und von Grandlieu, von Rastignac, Blondet, der schönen Herzogin von Maufrigneuse, dem Grafen von Esgrignon, von des Lupeaulx, von den einflußreichsten und am Hofe angesehensten Männern der royallstischen Partei geerntet hatte.
    »Nun, dann ist nichts weiter zu sagen«, erwiderte d'Arthez. »Es wird dir schwerer als jedem anderen sein, dich rein zu erhalten und dich selber zu achten. Du wirst viel zu leiden haben, ich kenne dich, wenn du dich erst von denen verachtet siehst, denen du dich widmest.«
    Die drei Freunde verabschiedeten sich von Lucien, ohne ihm freundschaftlich die Hand zu drücken. Lucien war ein paar Augenblicke nachdenklich und traurig.
    »Ach was! laß doch diese dummen Menschen,« rief Coralie, setzte sich ihm auf die Knie und legte ihre schönen Arme um seinen Hals; »sie nehmen das Leben ernsthaft, und das Leben ist ein Spaß. Und übrigens wirst du Graf Lucien von Rubempré werden. Ich werde, wenn es not tut, im Kanzleramt vorsprechen und sehr verlockend sein. Ich weiß, wie man mit diesem Lüstling des Lupeaulx, der deine Ordonnanz zur Unterschrift vorzulegen hat, umgehen muß. Habe ich dir nicht gesagt, du wirst, wenn du noch eine Stufe brauchst, um deine Beute zu fassen, den Leib Coralies haben?«
    Am Tage darauf ließ Lucien seinen Namen in die Zahl der Mitarbeiter des ›Réveil‹ aufnehmen. Dieser Name wurde in dem Prospekt, der mit den Geldmitteln des Ministeriums in hunderttausend Exemplaren verbreitet wurde, wie eine Eroberung angekündigt. Lucien begab sich zu dem Siegesmahl, das bei Robert, zwei Schritte von Frascati, stattfand und neun Stunden dauerte. Die Koryphäen der royalistischen Presse waren da: Martainville, Auger, Destains und eine Menge Schriftsteller, die heute noch leben und die damals nach dem Ausdruck, der üblich war, in Monarchie und Religion machten.
    »Wir werden es ihnen heimzahlen, den Liberalen«, sagte Hector Merlin.
    »Meine Herren,« erwiderte Nathan, der sich diesem Banner angeschlossen hatte, indem er erwog, daß es für ihn und seine theatralische Karriere besser sei, die Autorität, die über das Theater verfügte, für sich als gegen sich zu haben, »wenn wir den Krieg gegen sie führen, wollen wir das ernsthaft tun; mit Kugeln aus Kork dürfen wir uns nicht behelfen! Wir müssen ohne Unterschied des Alters oder des Geschlechts alle klassischen und liberalen Schriftsteller angreifen, müssen sie dem Spott preisgeben und keinen Pardon geben.«
    »Bleiben wir ehrenhaft, lassen wir uns nicht durch die Rezensionsexemplare, die Geschenke und das Geld der Verleger bestechen. Führen wir die Restauration des Journalismus durch.«
    »Wohl!« sagte Martainville. »Justum et tenacem propositi virum! Seien wir unversöhnlich und scharf. Ich werde aus Lafayette machen, was er ist: Hasenfuß I.!«
    »Ich«, sagte Lucien, »nehme die Helden des ›Constitutionnel‹, Mercier, die Gesammelten Werke des Herrn von Jouy, die berühmten Redner der Linken auf mich.«
    Um ein Uhr morgens proklamierten die Schriftsteller einmütig den Kampf auf Leben und Tod, worauf sie alle ihre verschiedenen Schattierungen und alle ihre Ideen in einem flammenden Punsch ertränkten.
    »Wir haben uns eine famose monarchische und religiöse Hose angezogen«, sagte auf der Türschwelle eins der berühmtesten Mitglieder der romantischen Literatur.
    Dieses historische Wort, das von einem Verleger, der dem Diner beiwohnte, weitererzählt wurde, stand am nächsten Tage im ›Miroir‹; aber es wurde Lucien zugeschrieben. Dessen Abfall war das Signal zu einem furchtbaren Lärm in den liberalen Zeitungen. Lucien wurde ihre Zielscheibe und wurde auf die grausamste Weise an den Pranger gestellt: man erzählte die Leidensgeschichte seiner Sonette, teilte dem Publikum mit, Dauriat würde lieber tausend Taler verlieren, als sie drucken, man nannte ihn den Dichter ohne Sonette.
    Eines Morgens las Lucien in demselben Blatte, in dem er so glänzend debütiert hatte, die folgenden Zeilen, die einzig und allein für ihn geschrieben schienen, denn das Publikum konnte die Bosheit kaum

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