Verlorene Illusionen (German Edition)
kaufen, deren Herren wir dann sind, indem wir dem Käufer ein Darlehen geben«, hatte Petit-Claud gesagt.
Der Advokat hatte diesen Gedanken vorgebracht, um seine doppelte Stellung gegenüber Cointet und Séchard zu verstärken, und er hatte natürlich seine Augen auf so eine Sorte Mensch wie Cérizet geworfen, um aus ihm den Mann zu machen, der der ergebene Diener der Partei sein sollte.
»Wenn du deinen alten Herrn entdecken und mir in die Hände spielen kannst,« hatte er zu Séchards früherem Faktor gesagt, »wird man dir zwanzigtausend Franken leihen, um seine Druckerei zu kaufen, und wahrscheinlich wirst du der Leiter eines Blattes werden. Also los!«
Petit-Claud war sich der Energie und Schlauheit eines Menschen wie Cérizet sicherer, als der Tätigkeit aller Doublons der Welt, und hatte so dem großen Cointet versprochen, Séchard würde verhaftet werden. Aber seitdem Petit-Claud die Hoffnung hegte, die Beamtenlaufbahn einzuschlagen, sah er die Notwendigkeit voraus, den Liberalen den Rücken zu kehren, und dabei hatte er schon die Geister in Houmeau so gut bearbeitet, daß das Kapital, das zur Erwerbung der Druckerei gehörte, zusammengebracht war.
»Ach was!« sagte er sich, »Cérizet wird sich irgendein Preßvergehen zuschulden kommen lassen, und ich werde es benutzen, um zu zeigen, was ich kann ...«
Er ging zur Tür der Druckerei und sagte zu Kolb, der Posten stand: »Sage David, er soll die Stunde benutzen und fortgehen, und seid recht vorsichtig; ich gehe nach Hause, es ist ein Uhr.«
Als Kolb die Tür verließ, nahm Marion seinen Platz ein. Lucien und David kamen herunter, Kolb ging ihnen hundert Schritte voraus, und Marion folgte ihnen hundert Schritte hinterher. Als die beiden Brüder den Bretterzaun entlang gingen, sprach Lucien hitzig auf David ein.
»Mein Lieber,« sagte er zu ihm, »mein Plan ist überaus einfach; aber wie sollte ich vor Eva von ihm sprechen, da sie für solche Mittel nie ein Verständnis haben kann? Ich bin sicher, daß Louise im Grunde ihres Herzens ein Verlangen birgt, ich werde es wecken, ich will sie einzig und allein haben, um mich an diesem albernen Präfekten zu rächen. Wenn wir uns lieben, und wäre es nur für eine Woche, werde ich dafür sorgen, daß im Ministerium eine Unterstützung von zwanzigtausend Franken für dich erwirkt wird. Morgen soll ich dieses Weib in dem kleinen Boudoir wiedersehen, wo unsere Liebe begonnen hat und wo sich, wie Petit-Claud sagt, nichts verändert hat. Dort werde ich die Komödie spielen. Ich werde dir also übermorgen früh durch Basine eine Zeile schicken, woraus du erfährst, wie die Sache steht ... Wer weiß, vielleicht wirst du frei! Verstehst du jetzt, warum ich einen Anzug aus Paris brauchte? In Lumpen kann man nicht die Rolle des ersten Liebhabers spielen.«
Um sechs Uhr morgens war Cérizet bei Petit-Claud.
»Morgen mittag kann Doublon seinen Schlag vorbereiten; er kann unsern Mann fassen, ich bürge dafür,« sagte der Pariser zu ihm; »ich habe mir eine der Arbeiterinnen von Fräulein Clerget gesichert, verstehen Sie?«
Petit-Claud hörte Cérizets Plan an und eilte dann zu Cointet.
»Sorgen Sie dafür, daß heute abend Herr du Hautoy sich entschlossen hat, Françoise das bloße Eigentum seiner Güter ohne den Nießbrauch zu übertragen; binnen zwei Tagen unterzeichnen Sie einen Gesellschaftsvertrag mit Séchard. Ich heirate erst acht Tage nach dem Vertrage; wir halten uns also an die Bedingungen unsrer Abmachung: Zug um Zug. Aber wir müssen heute abend herausbekommen, was bei Frau von Senonches zwischen Lucien und der Gräfin du Châtelet vorgeht, darauf kommt alles an ... Wenn Lucien die Hoffnung hat, bei der Präfektin Glück zu haben, gehört David mir.«
»Sie werden, glaube ich, Justizminister«, sagte Cointet.
»Und warum nicht? Herr von Peyronnet ist es ja auch!« sagte Petit-Claud, der die liberale Haut noch nicht ganz abgestreift hatte.
Ihrem zweifelhaften Personenstande verdankte es Fräulein de la Haye, daß bei der Unterzeichnung ihres Ehevertrags fast der ganze Adel von Angoulême vertreten war. Die Armut dieses künftigen Haushalts – Françoise hatte nicht einmal den üblichen Brautkorb bekommen – belebte das Interesse, das die Welt zu bezeigen liebt; denn es ist mit der Wohltätigkeit wie mit den Triumphen: man übt gern eine Barmherzigkeit, die der Eitelkeit wohltut. So hatten die Marquise von Pimentel, die Gräfin du Châtelet, Herr von Senonches und zwei oder drei Stammgäste des Hauses
Weitere Kostenlose Bücher