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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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brauchen. Sie werden den Wunsch nicht nötig haben, in diesen oder jenen Salon zu gehen, Sie werden in allen Salons erwünscht sein.«
    Châtelet konnte sprechen, ohne daß Frau von Bargeton ihn unterbrach, sie war von der Richtigkeit seiner Bemerkungen niedergeschlagen. Die Königin von Angoulême hatte in der Tat auf das Inkognito gerechnet.
    »Sie haben recht, lieber Freund,« sagte sie, »aber was tun?«
    »Gestatten Sie mir,« antwortete Châtelet, »Ihnen eine passende möblierte Wohnung zu suchen; Sie führen dann ein billigeres Leben als in den Gasthöfen und sind bei sich zu Hause; und wenn Sie meinem Rat folgen, bringen Sie da schon die heutige Nacht zu.«
    »Aber woher haben Sie meine Adresse erfahren?« fragte sie.
    »Ihr Wagen war leicht zu erkennen, und überdies war ich Ihnen gefolgt. In Sèvres sagte der Postillion, der Sie geführt hat, meinem Ihre Adresse. Wollen Sie mir gestatten, für Ihre Wohnung zu sorgen? Ich werde Ihnen bald schreiben, wo ich Sie untergebracht habe.«
    »Gut, tun Sie das«, erwiderte sie.
    Dieses Wort schien nichts und war alles. Der Baron du Châtelet hatte zu einer Frau von Welt die Sprache der Welt geredet. Er war in der ganzen Eleganz einer Pariser Kleidung aufgetreten; ein hübsches Kabriolett mit einem schmucken Pferd davor hatte ihn hergebracht. Zufällig stellte sich Frau von Bargeton ans Fenster, um über ihre Lage nachzudenken, und sah den alten Stutzer abfahren. Einige Augenblicke später stellte sich Lucien, der plötzlich geweckt worden war und sich eilig angezogen hatte, in seiner Nankinghose vom vorigen Jahre und seinem kümmerlichen Rock vor ihre Blicke. Er war schön; aber lächerlich gekleidet. Man ziehe den Apollo des Belvedere oder den Antinous als Wasserträger an: wer wird dann die göttliche Gestalt des griechischen oder römischen Meißels erkennen? Die Augen vergleichen, ehe das Herz das rasche mechanische Urteil richtiggestellt hat. Der Gegensatz zwischen Lucien und Châtelet war zu heftig, als daß er nicht die Augen Louisens frappieren mußte. Als gegen sechs Uhr das Diner zu Ende war, winkte Frau von Bargeton Lucien zu sich auf ein erbärmliches Kanapee aus rotem, gelbgeblümtem Kattun, auf das sie sich gesetzt hatte.
    »Mein Lucien,« sagte sie, »meinst du nicht, wenn wir eine Torheit begangen haben, die uns beide in gleicher Weise in tödliche Gefahr bringt, daß es vernünftig ist, sie wieder gutzumachen? Liebes Kind, wir dürfen in Paris nicht zusammen wohnen, und dürfen den Verdacht nicht aufkommen lassen, daß wir zusammen hierhergekommen sind. Deine Zukunft hängt sehr von meiner Stellung ab, und ich darf sie auf keine Weise aufs Spiel setzen. Ich werde mir also noch heute abend ein paar Schritte von hier eine Wohnung nehmen, aber du bleibst in diesem Hotel wohnen, und wir können uns alle Tage sehen, ohne daß jemand etwas dagegen sagen kann.«
    Louise erklärte Lucien, der sie mit großen Augen ansah, die Gesetze der großen Welt. Er wußte zwar nicht, daß die Frauen, die ihre Torheiten korrigieren, damit auch ihre Liebe korrigieren, aber er merkte, daß er nicht mehr der Lucien von Angoulême war. Louise sprach ihm nur von sich, von ihren Interessen, von ihrem Ruf, von der Welt; und um ihren Egoismus zu entschuldigen, versuchte sie, ihn glauben zu machen, es handele sich um ihn. Er hatte kein Recht auf Louise, die so schnell wieder Frau von Bargeton geworden war, und was schlimmer war, er hatte keine Macht über sie. So konnte er schwere Tränen nicht zurückhalten, die ihm aus den Augen stürzten.
    »Wenn ich dein Ruhm bin, bist du für mich noch mehr: du bist meine einzige Hoffnung und meine ganze Zukunft. Ich hatte gedacht, daß du, wie du meine Erfolge teilst, auch mein Unglück teilen solltest, und nun sollen wir uns jetzt schon trennen!«
    »Du tadelst mein Verhalten,« versetzte sie, »du liebst mich nicht.«
    Lucien sah sie so schmerzlich an, daß sie sich nicht enthalten konnte, hinzuzufügen: »Lieber Junge, ich bleibe, wenn du willst. Wir gehen zugrunde und stehen ohne jeden Beistand da. Aber wenn wir beide in gleicher Weise im Elend und beide von der Welt verstoßen sind; wenn der Mißerfolg – denn man muß alles ins Auge fassen – uns bis nach l'Escarbas zurückgeworfen hat, dann erinnere dich, mein Lieber, daß ich dieses Ende vorausgesehen habe und dir vorschlug, nach den Gesetzen der Welt ans Ziel zu gelangen und ihnen zu gehorchen.«
    »Louise,« antwortete er und umarmte sie, »ich bin erschreckt, daß ich dich so

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