Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
Vom Netzwerk:
nunmehr ihr Überleben abhängen sollte.

    Drei Tage hatte Rai nun schon in dem feuchten Stollen verbracht, um teils bäuchlings, teils auf dem Rücken liegend den Rötel oder roten Glaskopf, wie die Bergleute das erzhaltige Gestein manchmal nannten, aus den Wänden zu schlagen. Seine Ellbogen und Knie waren zerschunden, Gesicht und Hände hatten die rostrote Farbe des Gesteins angenommen, während sein Rücken schmerzte, als hätte man ihn mit einem Weidenstock versohlt. Aber die Plackerei hatte sich ausgezahlt, denn obwohl nur Rai klein genug für die schmalen Stollen der zweiten Sohle war und sie zudem auch anfangs über nur eine Kerze verfügten, hatten sie in den ersten Tagen bereits genug Erz geschürft, um dafür neben ausreichend Nahrung auch ein zweites Licht für Barat einzutauschen. Da Rai es tunlichst vermeiden wollte, dem gewalttätigen Ulag noch einmal unter die Augen zu kommen, hatte Barat diese Tauschgeschäfte für ihn übernommen. Mit einer eigenen Leuchte und genügend Nahrung ausgestattet, konnte der alte Soldat jetzt damit beginnen, einen der unbesetzten Querschläge zu erweitern, bis auch für ihn eine Lagerstätte erreichbar war. Außer den beiden Dieben arbeiteten noch etwa zehn andere Minensklaven in der zweiten Westsohle, aber man ging sich möglichst aus dem Weg oder wechselte allenfalls ein paar flüchtige Worte im Vorbeigehen. Vertrauen gegenüber Fremden konnte hier unten tödlich sein. Wie überall in der Mine bestand ein großer Teil dieser so genannten Arbeiter aus Kindern, die aber aufgrund ihrer sehnigen Muskeln, der von rotem Steinmehl verklebten Leiber und des schlechten Lichts in den Gängen kaum von den Erwachsenen zu unterscheiden waren. Selbst der Größenunterschied lieferte meist keinen eindeutigen Anhaltspunkt, da auch die ausgewachsenen Minenarbeiter eher zu den kleinwüchsigen Menschen zu zählen schienen. Geringe Körpergröße erwies sich unter Tage als enormer Vorteil, in erster Linie, weil der erforderliche Durchmesser der Stollen ganz wesentlich die Geschwindigkeit beeinflusste, mit der sich ein Bergmann zu einer neuen Lagerstätte vorarbeiten konnte.
    Von dem unheimlichen Einzelgänger namens Narbengesicht, der laut Erbukas ebenfalls in dieser Sohle schürfte, war bislang noch nichts zu sehen gewesen, was den beiden Tiletern auch ganz recht war. Finstere Gestalten gab es hier unten ohnehin mehr als genug. Die allgegenwärtige Bedrohung, der Früchte ihrer schweißtreibenden Arbeit beraubt zu werden, hatte sie auch dazu veranlasst, sich bereits in der ersten Nacht damit abzuwechseln, den Schlaf des anderen zu bewachen. Zwar wurde es zunehmend zur Qual, nach einem harten Tag Arbeit ihre ausgelaugten Körper am Schlafen zu hindern, doch ihre anfängliche Erfahrung mit den Raffern hatte sie gelehrt, dass diese Halsabschneider jede Unachtsamkeit oder Schwäche gnadenlos ausnutzen würden, um sich ihres geschürften Erzes, ihrer aufbewahrten Nahrung oder Kleidung zu bemächtigen. Die Raffer scheuten jede offene Konfrontation, was besonders die Nachtstunden, wenn die meisten Minenarbeiter ruhten, zu ihrer bevorzugten Zeit für Raubzüge machte. Der Wechsel von Tag und Nacht war hier unten zwar ebenso unbedeutend wie das Wetter, das an der Oberfläche herrschte, dennoch hielten sich die meisten Bergleute an die Nachtruhe, die bei jedem Sonnenuntergang von der Eingangshöhle durch alle Stollen ausgerufen wurde. Es herrschte dann in den Minen bedrückendes Schweigen, die Felswände schienen näher zu rücken, und das leise Pochen der Wassertropfen, die auf dem felsigen Untergrund zerschellten, entwickelte sich zu einem nervenaufreibenden Dauertrommeln.
    Rai lauschte dem nagenden Werk der Wasserperlen im spärlichen Licht seiner bereits fast heruntergebrannten Kerze. Trotz des irritierenden Geräuschs wäre er bereits zweimal beinahe eingenickt, wofür er sich selbst jedes Mal mit einigen kräftigen Kniffen in die Wange bestrafte. Barat lag neben ihm in tiefem Erschöpfungsschlaf. Seinen verletzten Knöchel hatte der alte Soldat mit einigen schmutzigen Bandagen umwickelt, aber Rai war nicht entgangen, dass sein Freund täglich ein wenig stärker hinkte, da sich die offene Bisswunde wohl tatsächlich entzündet hatte. Unglücklicherweise war auch diese Voraussage des Bergmeisters Erbukas zutreffend gewesen.
    Als dem jungen Tileter im hypnotisch tanzenden Kerzenschein ein weiteres Mal die Augenlider schwer wurden wie Bleideckel und der Schlaf endgültig die Oberhand zu gewinnen

Weitere Kostenlose Bücher