Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
das merke ich. Du weißt, dass du mit mir ein gutes Geschäft machen kannst. Ich habe wirklich keine Lust, in dieser verdammten Mine mein Ende zu finden, also sag mir, was du willst.« Er hatte seine Angst wieder unter Kontrolle und war bereit zu verhandeln.
Der Unbekannte stieß einen merkwürdigen Laut aus, der ein verächtliches Lachen hätte sein können, dann zog er den drahtigen Körper des Jungen mühelos wieder auf den Felsvorsprung vor dem Gang und ließ los. Rai sprang sofort kampfbereit auf, aber der Fremde hatte ihm bereits den Rücken zugewandt, um sich wieder an seine Arbeit zu machen. Der Stollen, in dem er schürfte, reichte nicht besonders tief in den Fels hinein, aber auf den ersten Blick waren an den Wänden deutliche Spuren einer reichen Erzlagerstätte zu entdecken. Eine dicke Kerze auf dem Gangboden diente als Lichtquelle. An der Wand daneben lehnte ein Korb mit Erzbrocken darin, den man sich zum Transport über die Schultern schnallen konnte. Der unbekannte Mann war etwa so groß wie Barat, hatte schwarze zottige Haare, und sein nackter Rücken war so muskulös, wie Rai es nur bei einigen Schmieden in Tilet gesehen hatte, die ihr Leben lang nichts anderes taten, als den harten Stahl mit der Kraft ihres Körpers zu formen.
Der Fremde nahm Hammer und Meißel wieder zur Hand und begann von Neuem, auf den Fels einzuschlagen, als wäre dieser sein persönlicher Feind. Rai zögerte, denn der Impuls zur Flucht stand im Widerstreit mit seiner Neugier. Unschlüssig machte er ein paar Schritte auf ihn zu, verharrte dann aber doch in respektvollem Abstand.
»Warum schürfst du an solch einem abgelegenen Platz?«, fragte er schließlich ein wenig schüchtern.
Als Erwiderung ertönte nur das rhythmische Klingen des Hammers, der mit wuchtigen Schlägen auf den Meißel traf. Kleine Funken stieben an manchen Stellen, wo sich das Werkzeug ins Gestein bohrte.
»Wie bringst du denn das Erz hier weg?«, bohrte Rai etwas mutiger nach. »Du kannst doch wohl kaum mit dem schwer beladenen Korb über den Abgrund springen.« Während er auf eine Erklärung wartete, entdeckte er am Boden neben dem geflochtenen Transportkorb ein kurzes Seil mit einer Schlaufe. Er kratzte sich nachdenklich am Kopf, kehrte dann zum Stolleneingang zurück und studierte die Wand oberhalb des abgebröckelten Teils des Simses. Tatsächlich befand sich nur etwa drei Schritt darüber eine nach oben gekrümmte Felsnase, die geradezu ideal zum Befestigen eines Seils geeignet schien.
Freudestrahlend kehrte Rai zu dem ungerührt weiterhämmernden Unbekannten zurück und verkündete stolz: »Jetzt weiß ichs! Du benutzt das Seil, um dich von einer Seite zur andern zu schwingen!« Seine Feststellung wurde zur großen Enttäuschung Rais nicht mit einer Antwort belohnt. Trotzdem ließ er nicht locker: »Wie ist dein Name?«
Wieder folgte nichts außer wütendes Hämmern.
»Mich nennt man Rai! Du bist doch Narbengesicht, oder?«
Endlich ließ der breitschultrige Mann sein Werkzeug sinken.
»Man sagt, du hättest vier Raffer mit bloßer Hand getötet!«, setzte Rai gespannt hinzu.
Der Fremde drehte sich langsam um. Seine Körperhaltung verriet äußerste Anspannung. Er hielt Hammer und Meißel in der Hand wie zwei Waffen. Unwillkürlich wich Rai einen Schritt zurück. Das Gesicht des Mannes war entsetzlich entstellt. Eine breite rote Schnittwunde verlief von seiner Stirn bis zur Wange, und wo einstmals das linke Auge gewesen war, gab es jetzt nur noch eine leere Höhle. Wie ein kalter Windhauch wehte Rai ein Gefühl von abgrundtiefem Hass entgegen, aber auch eine Andeutung von Trauer und Verzweiflung. Das gesunde Auge des Mannes blitzte aus seinem rot verschmierten Gesicht wie eine dunkle Klinge, als er mit rauer Stimme zu sprechen begann:
»Das stimmt.« Er kam bedrohlich näher. »Ich habe ihnen den Hals umgedreht, einfach so. Der Tod klebt an meinen Händen und zeichnet mein Gesicht.« Seine Mundwinkel zogen sich zu einem dämonischen Grinsen auseinander. »Narbengesicht nennen sie mich? Wie passend.«
Rai taumelte entsetzt nach hinten, bis der Abgrund ein weiteres Zurückweichen unmöglich machte.
Der narbengesichtige Fremde folgte unerbittlich. »Vielleicht wirst du es nicht glauben, aber bevor ich diese Narbe erhielt, hatte ich auch einen richtigen Namen.« Maßlose Verbitterung lag in diesen Worten.
»Oh, d-d-das …«, stotterte Rai, »… ich wollte dich nicht beleidigen. Das mit der Narbe …, ich wusste ja nicht, wie du … Wie
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