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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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gelegenen Bergen und dem umgebenden Wald, was das Bergwerk bei einem Sturm mit entsprechend massiven Regenfällen zu einem unterirdischen Flusssystem werden ließ.
    Inmitten dieses Stroms befanden sich nun die beiden Diebe und versuchten, in knietiefem, reißendem Wasser die trockene Insel im Norden der großen Grotte zu erreichen, wo sich wie eine verängstigte Schafherde bereits eine unüberschaubare Zahl von Minenarbeitern drängte. Das Niveau des Bodens lag dort ein wenig über dem der restlichen Höhle, sodass dieser Bereich, in dem sich auch die Eingänge zu den Wohnquartieren, den Nordstollen und Ulags Tauschkammer befanden, vor Überflutung bewahrt blieb. Da das Zentrum der Höhle wegen der herabprasselnden Regenströme unpassierbar war, musste Rai mit seinem humpelnden Begleiter jetzt allerdings wieder bedenklich nahe an der östlichen Wand und damit am Schauplatz der letzten Auseinandersetzung mit dem behaarten Herrn des Bergwerks vorbei. Glücklicherweise schienen seine zahlreichen, mit Sturmlaternen ausgestatteten Handlanger nur darauf zu achten, dass sich niemand an den Vorräten vergriff.
    Endlich hatten sie Ulags Kammer passiert und suchten nach einem Sitzplatz zwischen all den durchnässten, vor Angst und Kälte zitternden Gestalten. Völlig entkräftet sanken beide irgendwo im dichten Gedränge auf den harten Fels nieder. Der Platz auf dieser trockenen Insel am Rande der entfesselten Himmelsströme erwies sich als äußerst begrenzt. Ständig wurde gedrängt und gestoßen. Einige Menschen versuchten möglichst viel Raum zwischen sich und die steigenden Fluten zu bringen, was zwangsläufig zu kleineren Rangeleien führte. Im Wesentlichen wirkte die Menge aber erstaunlich gefasst, was sicherlich mit der Abhärtung durch das entbehrungsreiche Minenleben zusammenhing. Mit stiller Besorgnis wurde das beständige Steigen des Wasserpegels zur Kenntnis genommen. Der allgegenwärtige Tod in den Minen von Andobras zeigte sich hier lediglich in anderer Gestalt.
    Barat war ohne ein Wort an Rais Schulter eingeschlafen. Der junge Tileter konnte hingegen keine Ruhe finden, zu aufgewühlt war er noch von den Ereignissen um ihn herum. Wie viele Entbehrungen konnten Menschen ertragen? Es gab keinen Augenblick in diesem Bergwerk, in dem man einmal aufatmen konnte und nicht auf das Schlimmste vorbereitet sein musste. Im Gegenteil, meist reichte die Vorstellungskraft nicht aus, um sich die kommenden Gefahren auszumalen, die die Mine für ihre Insassen bereithielt. Und gleich wie viele Mühen und Widrigkeiten auch überwunden wurden, dieses Verlies im Herzen des Gebirges konfrontierte die Menschen täglich mit neuen körperlichen wie geistigen Qualen, als triebe der Berg sein boshaftes Spiel mit den Gefangenen seines Felsenlabyrinths. Doch in Wahrheit waren es immer nur die Menschen selbst, die für ihresgleichen solch finstere Folterstätten schufen. Würden die Gardisten, in wessen Auftrag auch immer, die Sklaven nicht hier unten festhalten, wäre kein Leben durch die herabdonnernden Fluten bedroht. Hätte Ulag nicht mittels einer geschickten Mischung aus brutaler Einschüchterung und skrupelloser Ausbeutung dieses unmenschliche System der Unterdrückung eingerichtet, wäre das Leben in den Minen von Andobras lange nicht so erbarmungslos. Und hätte Rai selbst nicht ausschließlich die Sorge um sein eigenes Schicksal bewegt, könnte der kleine Warson jetzt noch leben. Schmerzvoll stach der Gedanke, der während der aufreibenden Flucht aus den Stollen in den Hintergrund getreten war, von Neuem durch sein Herz. Mit der Ermordung seines frischgewonnenen Freunds hatte Ulag Rai härter getroffen, als alle körperlichen Schläge es vermocht hätten. Der Narbengesichtige hatte ihn ausdrücklich davor gewarnt, sich mit jemandem freundschaftlich zu verbinden. Freunde vervielfachten nur die möglichen Angriffspunkte für ein ungnädiges Schicksal oder einen rachedurstigen Feind.
    Bei diesen Überlegungen fuhr Rai plötzlich auf. Narbengesicht! Ihn hatte er völlig vergessen! Keiner hatte sich die Mühe gemacht, ihm das Herannahen der Fluten mitzuteilen. Da niemand mehr nach den beiden Dieben aus den Westsohlen in die Eingangshöhle gekommen war und der Einäugige zwingend ihren Querschlag hätte passieren müssen, um die zweite Ebene zu verlassen, saß er mit Sicherheit noch dort unten fest. Rais Gehirn hatte jegliche Müdigkeit abgeschüttelt. Fieberhaft überlegte er, was zu tun war. Wenn er sofort loslief, konnte er vielleicht

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