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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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dem Mann aufgeregt hinterher. Dieser hielt auf der untersten Sprosse inne und blickte sich überrascht um.
    »Wie sah der Junge denn aus?«, fragte der Dieb gepresst.
    »Welcher Junge?«, erkundigte sich der Lautere verwirrt.
    »Na der, den Ulag heute geschnappt hat«, erklärte Rai ungeduldig.
    »Ach so, der! Hm, na so groß wie du etwa, ziemlich hager, vielleicht zehn, elf Jahre alt. Genauer hab ich ihn nicht gesehen.«
    »Hatte er zwei Beutel mit Erz dabei, einer davon recht groß?« Rais Grauen wuchs mit jedem Wort, das gesprochen wurde.
    »Ja, genau, deswegen ist er Ulag ja überhaupt aufgefallen, weil er so eine ungewöhnlich große Menge Rötel tauschen wollte.« Langsam wurde der Mann misstrauisch. »Wieso? Kanntest du den Bengel etwa?«
    Rais Mund war wie zugeschnürt. Er konnte nichts mehr von sich geben außer einem kehligen Stöhnen, das aus der Tiefe seines Herzens kam. Die Knie knickten unter dem Gewicht seines Körpers weg, sodass er sich unversehens auf dem feuchten Höhlenboden sitzend wieder fand. Er barg das Gesicht in den Händen, weil Tränen unaufhaltsam über seine Wangen strömten. Niemals würde er sich das verzeihen! Er hatte Warson in den Tod geschickt, den kleinen Kerl, der nichts anderes als seine Freundschaft wollte. Ausgenutzt hatte er ihn, als Mittelsmann missbraucht, weil er selbst zu feige war, vor Ulag hinzutreten. Eine leise Stimme in seinem Hinterkopf versuchte ihn daran zu erinnern, dass er doch gar keine andere Wahl gehabt hatte, gleichwohl erstickte das übermächtige Gefühl der Schuld jeden Versuch der Ausflucht im Keim. Der Tod eines Freundes lastete nun auf seinem Gewissen.
    Kaltes Wasser brachte seine Gedanken wieder in die dunkle Welt unter dem Berg zurück. Der Lautere hatte längst seinen Weg nach oben fortgesetzt und ihn in seinem Elend allein gelassen. Unbemerkt war das winzige Rinnsal in der Mitte des Hauptganges zu einem eisigen Bach angeschwollen, der mittlerweile knöcheltief sein Gesäß und seine Fesseln umspülte. Erschrocken sprang er auf. Ein Vorhang aus Wassertropfen rieselte bereits aus dem Blindschacht herab, der in die obere Sohle führte. Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Eilig lief er den Gang hinunter zu ihrem Querschlag. Zweimal musste er sich in dem engen Stollen an entgegenkommenden Minenarbeitern vorbeidrücken, die bereits ihre spärlichen Habseligkeiten zusammengepackt hatten und die Ebene verließen. Barat schlief immer noch friedlich im Eingang des Nebenstollens, als Rai dort ankam. Der junge Tileter hatte keine Ahnung, wie er seinen Gefährten von hier unten wegbringen sollte, da er dessen Gewicht unmöglich die ganze Strecke zu tragen vermochte. Aber auf keinen Fall durfte er ihn zurücklassen, denn angesichts der ständig zunehmenden Wassermassen wäre das sein sicheres Ende. Heute hatte er bereits einen Freund verloren, deshalb würde er Barat entweder retten oder mit ihm ertrinken.
    Rai schöpfte mit den Handflächen ein wenig kaltes Wasser vom Höhlenboden und spritzte es seinem Kameraden ins Gesicht. Barats Augenlider zuckten, aber dennoch erlangte er nicht das Bewusstsein. Verzweifelt versuchte es der Dieb noch einmal, diesmal gleich mit einem ganzen Schwall aus dem vorbeifließenden Bach – und tatsächlich: Sein Freund schlug das erste Mal seit zwei Tagen die Augen auf.
    »Barat! Den Göttern sei Dank, dass du erwacht bist! Wir müssen hier schnellstmöglich weg, bevor das Wasser noch weiter steigt. Kannst du aufstehen?« Rai stellte die Kerze zur Seite und reichte seinem Kameraden beide Hände. Doch aus dessen verschleierten Augen blickte ihm nur blanke Verständnislosigkeit entgegen.
    »Ich habe jetzt keine Zeit, es dir zu erklären«, keuchte Rai, während er Barat mühevoll in eine aufrechte Position manövrierte, »aber wenn du nicht ein bisschen mithilfst, dann werden wir hier ertrinken.«
    Sein Gefährte antwortete nur mit einem Stöhnen, als er das erste Mal seinen verletzten Fuß belasten musste. Selbst Barats gesundes Bein vermochte kaum, sein Körpergewicht zu tragen, da Fieber und tagelanges Stillliegen die Muskeln hatten erschlaffen lassen. Rai versuchte, den Freund bestmöglich zu stützen, aber die Enge des Stollens machte es unmöglich, dass beide sich nebeneinander bewegten. Schließlich ging der kleine Dieb dazu über, Barat wie einen Sack hinter sich herzuschleifen oder sogar einige Schritte zu tragen, wobei allerdings das gleichzeitige Halten seiner Kerze, die ja nach wie vor ihre einzige Lichtquelle

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